Verlass mich nicht
Ich sehe meine Mama auf mich zukommen. Sie trägt ein Blumenkleid und hohe Schuhe. Ihre Haare sind frisch in einem warmen blond gefärbt. Sie macht vor mir Halt und ich sehe in ihr Gesicht, dass völlig verweint ist. Ihre Wimperntusche ist ein wenig verschmiert und ihr Gesicht verwandelt sich in ein Trübsal. Meine Mutter nimmt mich in den Arm und spricht zu mir. Sie teilt mir mit, dass meine Oma verstorben ist. Ich sacke zusammen und kann es nicht fassen. Es fühlt sich an, als würde alles in mir zusammenbrechen und ich keinen Halt mehr haben. Ich denke daran, welche Menschen ich in der Vergangenheit verloren habe, doch bei keinem hat es sich so angefühlt wie bei ihr. Ich komme zu einem Haus, das von außen wie eine riesige kalte Villa aussieht, die ein paar Gassen von meinem echten Haus entfernt ist. Von innen sieht es allerdings wie das Jagdhaus von meiner Oma aus. Ich bin in dem Schlafzimmer von ihr, dass aber völlig leer steht, bis auf den grauen Teppichboden. Auf einmal sind in diesem eher kleinen Raum ungefähr 10 Kinder, die ich alle nicht kenne, dennoch verspüre ich das Gefühl, auf sie aufpassen und diese beschützen zu müssen. Jedoch halte ich ständig Ausschau nach meinen zwei Schwestern, die nirgends zu sehen sind. Und plötzlich überkommt mich eine Welle von Trauer. Ich denke die ganze Zeit, wie ich es ohne meine Oma schaffen soll. Mit wem soll ich reden, wenn es mir nicht gut geht? Mit wem kann ich so lachen wie mit ihr? Gleichzeitig schießen mir Gedanken in den Kopf wie: Habe ich sie oft genug angerufen. War ich oft genug für sie da? Dann denke ich an die wunderschönen Erinnerungen mit ihr. Und ich fange an zu weinen. Ganz plötzlich dringt ein Klingeln an mein Ohr. Noch bevor ich meine Augen öffne, bemerke ich, dass ich geträumt habe. Ich atme vor Erleichterung tief ein und aus, aber der Schmerz über den geträumten Verlust meiner Oma sitzt tief und liegt wie ein Stein auf meiner Brust. Meine Augen sind tränennass. Als es nochmals klingelt, schaue ich auf mein Handy und merke, wie spät es schon ist. Ich muss mich beeilen. Ich stehe auf und wische mir die Träne von der Wange. Den ganzen Tag über wird mich dieser Traum begleiten.
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