Verlass mich ( nicht)
Geh bitte. Wörter, die meine Welt verändert haben. Mein größter Alptraum. Wörter, die eine ganz gräuliche Bedeutung für mich haben. Acht Buchstaben, die nicht nur mein Leben, sondern meine Persönlichkeit beeinflusst haben.
Hallo, mein Name ist Katharina und ich habe ein Problem. Eines, das unlösbar scheint. Eines, bei dem mir kein Arzt helfen kann.
Ich habe schon früh bemerkt, dass etwas mit mir anders ist. Nicht normal. Anders als bei den Kindern in meiner Klasse. Doch den Grund dafür habe ich erst Jahre später realisiert.
Ich habe in einer glücklichen Familie gelebt. Doch entspricht das noch der Wahrheit? Ich denke eher nicht. Meine Kindheit ist schön gewesen, voller ereignisreicher Momente. Gefüllt mit dem schönen Kinderlachen, welches das Herz jeder Mutter zum Schmelzen bringt. Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich in einer Blase gelebt habe. Eine, in der die Negativität nicht existiert hat. Eine Welt, die nicht mehr real gewesen ist.
Doch nach zwei Wörtern ist diese Illusion verschwunden. Verschwunden, wie eine Schneeflocke, die einem auf die Nasenspitze fällt.
Mir ist plötzlich klar geworden, dass es nicht normal ist, seinen Vater kaum zu Hause zu sehen. Doch den Grund, wieso das bei uns der Fall gewesen ist, habe ich im zierlichen Alter von 5 Jahren nicht hinterfragt. Ich bin mit der Antwort er sei arbeiten zufrieden gewesen.
Damals, es ist am ersten Schultag gewesen, ist mir das erste Mal aufgefallen, dass mein Vater nicht mit meiner Mutter vor dem Schulgebäude auf mich wartet. Nicht wie bei meinen Freunden, die von ihren Eltern in die Arme geschlossen worden sind. Er ist auch nicht zu Hause gewesen. Die ganze Woche nicht. Und es ist für mich okay gewesen.
Die Betthälfte, welche seit Wochen unbenutzt gewesen ist, habe ich nicht gesehen.
Aus einem gedeckten Tisch für drei, ist auf einmal ein gedeckter Tisch für zwei geworden. Die Spaghetti sind nicht mehr für drei Personen gekocht worden, sondern für zwei. Auch das habe ich nicht mitbekommen.
In der Vergangenheit hat mich oft nur eine Frage gequält. „Bin ich zu blind gewesen? Hätte ich etwas verändern können?“ Hätte ich verhindern können, dass meine geliebte Mama „Geh bitte!“ zu meinem geliebten Papa sagt? Hätte ich ihn bitten sollen, nicht zu gehen? Uns nicht im Stich zu lassen?
Wenn ich nun auf jene Fragen antworten müsste, würde ich mir nicht die Schuld geben.
Wären jene Worte nie gefallen, hätte ich wahrscheinlich wie ein gewöhnliches Kind heranwachsen können. Doch durch die gegebene Situation haben meine Mutter und ich gelernt, allein zurecht zu kommen, uns allein der unfairen Welt zu stellen.
Auch heute noch denke ich an die schweren Tage. Jene Tage, an denen ich nicht mehr weitergewusst habe. Und immer wieder rufe ich mir in den Kopf, wie stark ich doch bin. Wie viel ich bereits überstanden habe.
Ich behaupte nicht, dass sich geschehene Ereignisse positiv auf mich ausgewirkt haben. Ich habe lediglich meinen Weg gewählt. Den wahrscheinlich einzig richtigen Weg.
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