Verschwundener Zauber
14. Februar 1974
Heute ist der 145 Valentinstag, den ich miterlebe, und somit der 36 in New York. Als er mich damals verlassen hat, hat er gesagt, er kommt wieder in genau 10 Jahren. Nun das ist jetzt auch schon 13140 Tage her. Ihr denkt jetzt sicher, ich hätte jeden einzelnen gezählt – nein. Ich mag vielleicht so armselig sein und 26 Jahre nach dem vereinbarten Tag immer noch nach New York kommen, in der Hoffnung er hat sich bei den Jahren verzählt, jedoch nicht so, dass ich jeden Tag einen Strich zu meinem Notizblock hinzufüge – es gibt Taschenrechner.
Um mich herum ist alles rosa, überall verliebte Paare oder Menschen mit Blumensträußen oder Pralinen in der Hand, welche sie vermutlich in der nächsten Stunden ihren Liebsten schenken oder sie bereits erhalten haben. Mein trübseliges, in ziemlich schwarz gehaltenes Aussehen passt da gar nicht hinein. In 5 Stunden geht mein Flug zurück nach Hause, dann kann ich über meine jährliche Abfuhr trauern.
14. Februar 2074
Heute ist der 245 Valentinstag, den ich miterlebe und somit der 46 in New York. Ich habe angefangen das letzte Jahrhundert nur alle 10 Jahre nach New York zu kommen. Ab und zu frage ich mich, was wenn er in einem Jahr kommt, in dem ich nicht da bin, jedoch komme ich jetzt nicht mehr wegen ihm. Mit der Zeit haben ich begriffen, dass es eigentlich viel mehr der Zauber von New York an Valentinstag war, der mich hier her zog, allerdings habe ich mir, als ich 2064 das letzte Mal hier war, nicht gedacht, dass ich nochmal zurückkommen werde. Innerhalb von ein paar Jahren wurde dieser kitschige, rosige Tag immer weniger Wert. Es wirkt fast so als wäre die ganze Liebe verschwunden. Die Straßen sind viel belebter als noch vor 100 Jahren, trotzdem fühlt man sich jetzt viel einsamer als zuvor. Jeder hat dieses Ding, an das ich mich auch lange gewöhnen musste, in der Hand: das Handy. Ich will es nicht schlecht reden, es ist lustig zu bedienen, es lenkt ab und ich bin mir sicher viele scheinen Liebe durch die Welt des Internets zu erlangen, doch für mich persönlich ist das nichts. Mir scheint es so als wäre ich mit meinem Aussehen – einer blauen, weit ausgestellten Jean und einem schwarzen Pullover das Fröhlichste hier.
14. Februar 2174
Heute ist der 345 Valentinstag, den ich miterlebe und somit der 47 in New York. Nach meinem letzten Aufenthalt habe ich beschlossen nur mehr alle 100 Jahre zukommen. Am Anfang war ich immer traurig, wenn ich hier war und ich wieder einmal alleine nach Hause fahren musste, mittlerweile freue ich mich darüber. Ich möchte mich nicht als etwas Besseres darstellen, doch ich bin enttäuscht. Die Menschheit hat gefühlt gar keinen Bezug mehr zu anderen Gefühlen als Gier, Eifersucht und als vermutlich einzig positives Gefühl Erfolgsdrang, obwohl dieses bei vielen zu weit ausgeprägt ist. Vor einem Jahrhundert hat man noch hier und da die echte Liebe gespürt, jetzt stellt sich mir nur mehr die Frage wo ist der Zauber hin?
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