Vielschichtig
Genug.
So ein kleines Wort.
Genug.
So eine große Bedeutung für so ein kleines Wort.
Bin ich mir selbst genug? Bin ich gut genug für andere?
Ich sitze am Fenster und schaue in die Landschaft und denke über die Bedeutung dieses kleinen Wortes nach. Ein Wort, das so viel verändern kann. Das Städte zerstören und retten kann. Das Menschenleben nehmen und erhalten kann.
Genug.
Wie kann etwas je genug sein? Ist der Mensch nicht dazu bestimmt, nie genug haben zu können? Nicht von sich selbst, nicht von anderen. Niemals.
Ich betrachte die Welt von hier oben. So klein. Menschen, unbedeutend wie ein Blatt im Wind. So schnell vergehend. Sie alle laufen irgendwohin. Manche auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule. Die Anforderungen, zu hoch. Sein Bestes geben und doch nie gut genug sein.
Genug.
Genug vom Leben haben. Der Junge, der schon am frühen Morgen trinkt und doch nicht genug, um seinen Schmerz zu vergessen. Das Mädchen, das zitternd am Boden liegt, das Messer über dem Arm liegend, weil es verzweifelt genug ist, um sich das Leben nehmen zu wollen. Die Frau, die mit Drogen zugedröhnt am Straßenrand liegt, weil sie genug von dieser Welt hat. Genug gesehen, genug gehört. Verzweifelte, hoffnungslose Leben voller Reue.
Genug.
Genug zum Leben haben. Der Banker, der erfolgreich genug ist, um sich das teure Haus am Ende der Straße leisten zu können. Die Sängerin, die bekannt genug ist, um über den roten Teppich laufen zu dürfen. Der Milliardär, der genug Geld hat, um tausende von Menschen zu ernähren. Und doch nie Glück finden wird, weil er nicht genug von seinem Reichtum abgeben kann.
Genug.
Eine Gesellschaft, darauf konditioniert immer mehr zu wollen, von allem. Mehr Geld, mehr Freunde, mehr Glück. Nie genug. Nie einen Moment innehalten und zurückblicken und fragen, was man tut. Ein schnelles Foto von der schönen Brücke über dem breiten Fluss. Weitergehen. Nicht genug Zeit haben, um stehenzubleiben und den Anblick zu genießen. Das Bild in Worte zu kleiden, dahinschwindend mit jedem verstreichenden Atemzug.
Genug.
Nicht genug Kraft haben. Ein Streit. Worte gesagt in Wut, in der Stille schwebend wie ein Messer, zustechend, den Körper mit stummen, unbarmherzigen Schmerz erfüllend. Tränen in den Augen und erdrückendes Schweigen. Zittern. Nicht genug Mut haben sich zu entschuldigen. Nicht genug Macht haben, die Worte zurückzunehmen. Nicht genug Kraft haben, die Stille mit Worten zu füllen, genug Worten, um den Schmerz zu dämpfen, um das Band am Zerreißen zu hindern.
Nie genug.
Nie genug haben. Nie.
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