Vogel im Käfig
„Warum hast du das getan? Wieso? Haben wir dich etwa so erzogen? Erzähle mir, was haben wir falsch gemacht? Sag es uns! Sag es mir!“
Stille kehrt zurück in den Raum. Dieser ist gefühlt mit Kälte und Stille. Hin und wieder hört man ein lautes Atmen und Schluchzen, wie ein Schrei nach Luft, wie ein Schrei nach Vergebung.
„Ich… Es tut mir leid. Es tut mir leid, OK! Ich hab mich überreden lassen. Ich habe gedacht dass, … ich habe nicht nachgedacht…“
„Das ist der Grund? Willst du uns gerade ernsthaft erzählen, dass du einfach nicht nachgedacht hast? Hörst du dir gerade eigentlich selbst zu? Ich mein schau mal was wir gerade durchmachen. Michael. . .“
Nachdem dieser Satz gefallen ist, zeigt Michaels Vater auf dessen Mutter, die weinend und voller Enttäuschung in das Gesicht ihres Sohnes schaut. Dieser hat Augen, die so rot sind wie Blut und so glänzen wie ein Diamant. Er sieht so aus, weil er den ganzen Tag nur geheult hat. Eigentlich ist er sehr erfolgreich. Seine Schulleistungen sind über dem Durchschnitt und das Studium hätte bald beginnen können. Die letzten Tage jedoch waren nicht nur sehr schwierig für ihn und seine Freunde, sondern auch für deren Eltern, denn die Jugendlichen haben viele Probleme verursacht.
„Wir haben viele Drogen verkauft. Wir wollten Geld verdienen.“
„Hat sich ja wirklich ausgezahlt, oder? Schau dich mal an! Deine Freunde werden das gleiche Schicksal durchmachen wie du.“
„Es gibt sowieso kein Zurück mehr. Wir sind Kriminelle. Ich hätte es hinterfragen und nicht einfach mitmachen sollen.“
„Du hast mitgemacht, weil du einfach dazugehören wolltest, ernsthaft?“
„Ja, ich wollte dazu gehören. Ich habe mich gut gefühlt. Ich habe viel Geld verdient. Ich war gut. Ich war erfolgreich.“
„Wie kannst du nur sowas sagen?“
„Wir haben sowieso keine Zeit mehr. Geh bitte, geht beide. Nichts wird mehr gleich sein. Egal ob ihr es wollt oder nicht. Ich gehöre jetzt zu ihnen.“
„Michael, was zum…?“
„Es.“
Michaels Vater läuft eine Träne über die Wange, denn er sieht nicht mehr seinen Sohn vor sich, sondern nur einen Kriminellen.
„Tut.“
Michaels Mutter versucht ihren Mann zu trösten, obwohl sie selbst am Rande eines Nervenzusammenbruchs steht.
„Mir.“
Und Michael? Er hat gemerkt, dass gewisse Fehler enorme Konsequenzen mit sich bringen. Dennoch war er noch stolz genug zu zeigen, dass er jetzt kriminell ist und es hat nur eine Gruppe voller Gesetzesbrecher gebraucht, um ihn so ins Negative zu verändern.
„Leid.“
Nachdem sich der Jugendliche letztendlich entschuldigt hat, kommt ein Mann in einer Uniform in den Raum. Die Besuchszeit ist vorbei.
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