Vom Leben gerädert. von Georg Maske
Nackt wirst du geboren und stehst auf dem Schafott. Augenpaare starren dich erwartungsvoll an.
Damit du nicht weichen kannst, wirst du festgebunden. Um ein Abweichen vom Idealmodell oder ein Entweichen des Urteils zu unterbinden.
Du wirst gebrochen, deine Knochen durch das Wagenrad, dein Geist durch das Verabscheuen der Andersartigkeit. Erst mit dem stückweiten Abbau der Kreativität, dann krachen deine Unterschenkelknochen.
Das obsolete und starre Bildungssystem lässt Kniescheiben und Oberschenkel zerspringen, bevor man selber laufen lernt.
Ober- und Unterarme werden zerstört, ebenso Träume und Wünsche durch Verpflichtungen und Realismus.
Der Druck steigt beim Eintritt in die Arbeitswelt wie auf das Herz durch die eingetretenen Rippenknochen.
Unsere Haut bleibt unversehrt, das Äußere makellos, nur das Innere zerstört.
An das Wagenrad hievt man uns Gebrochene und fesselt die malträtierten Gliedmaßen an die Sprossen fest.
Schließlich beginnt sich das Rad zu drehen. Aufstehen, Kinder wecken, Frühstück richten, zur Arbeit fahren, Job nachgehen, heimkommen, kochen, spülen, putzen, Kinder ins Bett bringen, Fernsehen, schlafen. Aufstehen, Kinder wecken, Frühstück richten, zur Arbeit fahren…
Unser Kampf begann schon früh um die bessere Beurteilung oder Note, die Beförderung oder den Wechsel aufs Gymnasium, für das scheinbare Wohl des Kindes oder der Todeskampf am Wagenrad.
Endlich kommt es zum Stehen. Nun henkt er da. Der Hals leblos über dem Kopf.
Noch ein paar Stunden, Tage oder Jahrzehnte, dann sind wir endgültig vom Leben gerädert.
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