Von der Düsternis und der kleinen Hoffnungsträgerin
Es ist still. Beängstigend still. Einzig und allein das Klappern von Hufen auf Backsteinpflaster und das Pfeifen des Windes hallt aus den verlassenen Straßen wieder. Er fegt durch die Gassen und schmiegt sich an den hohen Hauswänden entlang wie ein ungebetener Gast, nichts als Trauer und Dunkelheit verbreitend.
Wir schreiben das Jahr 1679. Ein Jahr geprägt und bestimmt von Hungersnöten und Seuchen. Ein Jahr, in dem die Pest der Zeit die Bedeutung raubt. Ein Jahr, in dem ein jeder Tag in den nächsten übergeht – still und heimlich. Sie verschmelzen ineinander zu einer zähen Masse, zu einem grauen Klumpen aus Schrecken und Angst, den die Menschen zu überstehen versuchen. Die meisten verstecken sich in ihren Behausungen hinter verschlossenen Türen und verriegelten Fenstern, versuchen die Grausamkeit hinauszusperren und ihr keinen Raum zu geben, um ihr Unwesen zu treiben.
Die Wenigen, die sich auf den einsamen Straßen aufhalten, sind immerzu auf der Suche nach Nahrung. Nach einem Stückchen Brot, das den knurrenden Magen und das beißende Gefühl von Säure auf der Zunge beruhigt.
Inmitten dieser Trostlosigkeit wird eine schwere Holztür aufgeschoben. Ein kleines Mädchen tritt heraus. Ihr strahlend gelbes Kleid bildet einen ungewöhnlichen Kontrast zu der sonst so dominierenden Düsternis und weht ihr verspielt um die Beine. Ihr blondes Haar ist lang für ihr junges Alter und fällt ihr immer wieder in einzelnen Strähnen vor die Augen. Kichernd versucht das Mädchen, die Fiber an goldglänzendem Haar aus dem Gesicht zu pusten.
Ergriffen von einer Lebensfreude, die den Menschen in dieser Zeit so fremd erscheint, wirbelt das Mädchen durch die Straßen, und so wie der Wind eisige Kälte und Trostlosigkeit verbreitet, so verbreitet das Mädchen Wärme und ein Gefühl, an das sich die Menschen nur noch schwach erinnern – Hoffnung.
Ihr Weg kreuzt den einer alten Frau, die gebückt auf der von Verwüstung gekennzeichneten Straße kauert und einzelne, zusammengesuchte Essensreste in eine Tüte stopft. Zaghaft kniet sich die Kleine neben die Greisin und beginnt ihr zu helfen. Das alte Weib blickt mit einer Mischung aus tiefer Traurigkeit und Verwunderung auf. Unter ihren Augen entdeckt das Mädchen tiefe Furchen und ihre Haut ist von grässlichen Falten zermürbt. Doch anstatt zurückzuschrecken, lächelt es.
»Hier«, krächzt die Greisin plötzlich und streckt dem Mädchen eine kleine, zarte Sonnenblume entgegen. »Sie erinnert mich an dich – hell strahlend, die Dunkelheit durchbohrend, fremd und einzigartig in einer von Krankheit und Leid heimgesuchten Zeit. Du sollst sie haben. «
Ehrfürchtig nimmt das Mädchen das Geschenk entgegen.
»Nun geh, geh bitte, verteile deine Farbe wie diese Blume, denn du bist wie ein strahlender Funke Hoffnung, der sich durch die graue Masse kämpft und ihr trotzt, wie ein Sonnenschein, ein Licht, das die Menschen so sehr brauchen. «
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