Vor den Türenvon Severin Weh
Schlaf ein, mein Kind! Schlaf ein, mein Kind!
Man hält uns für Verwandte.
Doch ob wir es auch wirklich sind?
Ich weiß es nicht, schlaf ein, mein Kind!
Mama ist bei der Tante…
(E. Kästner)
Vater.
Ob sie es ahnt? Sie weiß alles immer sofort. Haha, als ob! Was weiß ich schon? … Kalt ist mir irgendwie. So kalt … Meine Frau, so sagt man, ist eine nette Person. … Meine Frau … meine … meine, deine … Ob sie auch die eines anderen ist? Ich weiß es nicht. Die Farbe auf der Türe muss frisch sein. Ein Schimmern, wie das in ihren tiefen Augen. In ihnen bin ich verloren gegangen. Verloren, und nun finde ich den Weg zurück nicht mehr. Die Liebe saß im schon nächsten Zug und wir haben das Umsteigen verpasst … Ob sie mir wohl je verzeihen wird? Mir wird kalt, wenn ich nur daran denke. Wenn sie erfährt, dass ich und sie … Oder wenn sie erfährt, dass sie und ich bereits … Kalt bis auf die Knochen, die sie versprochen hatte, mir zu wärmen. Kann es nicht aufhören? … Sie wird bestimmt glücklicher. Glücklicher ohne mich. Dann hat sie ja ihn. Hahaa. Ich weiß es ohnehin nicht. Ich will nur weg. Weit weg. Weit weg von beiden … Neubeginn … Doch trau ich mich? Ah, was! Feigling. Alter Feigling. Zu feige, um zu leben. Die Tür ist immer noch da. Ach, wenn es nur so einfach wäre.
Mutter.
Ich hasse ihn. Wie ich ihn hasse! Zurückgelassen hat er mich. Alleine mit mir selbst. Was soll ich nur tun? Alles verschwimmt vor meinen Augen. Ich könnte heulen. Tränen, Fontänen, sich sehnen. Wonach? Liebe? Ich fühle keine … Nur Wut. Scheiße! Ich bin so verdammt wütend auf ihn! Auf mich, auf alle. Ach, wenn es nur wieder so wäre, wie es nie wirklich war. Fäuste würde ich ihm geben, wenn er um Küsse bettelt … Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr … Auch wenn ich wollte, und auch nur für das Kind … Ich will und kann nicht mehr. Verstehst du es, Tür? Trotzdem. Wer soll mir sonst helfen? Helfen. Ja, ist mir noch zu helfen? … Ich habe alle enttäuscht. Sie sagen es nicht, aber sie blicken es mir. Sein Blick war engelsgleich. Ach, wie ich seine Blicke vermisse. Stunden spielten wir Verstecken im Irrgarten unserer Pupillen. Doch auf einmal warst du fort. Hast du dich verirrt? Bist du davongelaufen? Du schaust mich an und gehst zu einer anderen … Ich weiß, du tust es nicht mit Absicht. Doch auch Wut hat keine Absicht. Ich wünschte, ich wäre stärker gewesen. Diese Tür? Die gute Zeit, ich sehne mich nach ihr.
Kind (9 Jahre).
Wissen sie wo ich bin? Aber es wird schon gut sein. Wohin die Tür wohl führt? … Hunger hab ich. Ein leckerer Obstkuchen, wie der von der Oma, das wäre toll … Der Papa singt immer so schön. Dann werde ich richtig müde. Müde bin ich jetzt auch … Ob die Mama bald kommt? Der Papa ist noch nicht heim. Mama sagt, an guten Tagen kommt Papa mit Milchflasche heim, an schlechten mit Bierflasche. Aber Papa habe ich immer lieb … Ich würde gern jetzt schon groß sein. So groß wie Mama, nein wie Papa. Vielleicht noch ein bisschen größer. Dann kann ich helfen. Ob hinter der Tür auch ein Bett ist? Vielleicht kann ich in dem Bett schlafen. Und wenn ich aufwache, ist die Mama wieder da. Das hat sie versprochen. Bevor sie gegangen ist. Nur kurz hat sie gesagt … Ich möchte heute schon erwachsen sein. Dann kann ich der Mama helfen und dem Papa. Dann singe ich ihm was vor, dann hat er am nächsten Morgen auch keine schlechte Laune … Ob ich nicht einfach durchgehen soll? … Jetzt ist sie offen. Ist die Mama da? … Nein. Noch eine Tür.
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