WANDA
Ich würde gerne sagen, dass du bliebst. Aber das tatst du nicht. Und alles was blieb, war nur ein hektisch hingekritzelter Name: Wanda.
Es ist, als hätte es dich nie gegeben. Die Straßen wirken leer ohne dich. Ich kann dein Lachen noch hören. Ganz weit entfernt erreicht es geradeso meine Ohren, doch es löst keine Wärme mehr in mir aus. Stattdessen ist da nur noch ein riesiges Loch in Form von deiner großen, schlaksigen Gestalt.
Ich habe deinen Geruch noch in der Nase. Ein Hauch von Zimt und der freche Spritzer Zitrone, wie du es nanntest. Seit Wochen habe ich deshalb das kleine Café unter unserer Wohnung gemieden. Ich wollte nicht vor all den Menschen heulen. Was konnten sie dafür, dass du weg warst und doch irgendwie nicht?
Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Du wolltest nicht, dass ich dir dabei zusehe, wie du allmählich zerfällst. Wie dein Gesicht immer schmaler, deine Lippen immer dünner wurden und der Glanz aus deinen Augen verschwand. Und doch wollte ich nicht von deinem Krankenbett weichen. Sie mussten mich wegzerren von dir, als du aufhörtest zu atmen. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben, schlug und trat um mich, doch irgendwann hatte ich keine Kraft mehr.
Die weiße Wand wurde zu meiner besten Freundin, und das Nichts fühlte sich wie ein alter Bekannter an. Aus Fassungslosigkeit wurde Leere, wurde Wut. Ich wollte dich anschreien, doch ich schrie zu laut, als dass du mich hören könntest.
Und irgendwann wurde ich still. Ich sagte nichts mehr, außer man fragte mich danach. Ich lächelte freundlich, wenn man mit mir sprach. Ich tat alles, damit sie sich nicht um mich auch noch Sorgen machen mussten. Du hattest ihnen über das vergangene Jahr hinweg schon genug schlaflose Nächte und tränenreiche Abende besorgt. Also schweige ich.
Wenn ich meine Augen schließe, kann ich deine dunklen Augen manchmal noch vor mir sehen. Je öfter ich sie jedoch sehe, desto fremder wirken sie auf mich. Du bist nicht mehr da, das realisiere ich so langsam.
Rückblickend warst du nicht mehr als ein paar Augenblicke. Meine Erinnerungen an dich schwinden mit jedem Tag mehr. Bald würde ich auch deinen Namen nicht mehr mit mir herumtragen, aber was war ein Name schon ohne all die Erinnerungen, die wir damit verbanden?
Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich tun konnte. Es tut mir leid, dass ich diese Augenblicke nicht in einem Marmeladenglas eingefangen habe, um immer wieder dorthin zurückzukehren, in diese Welt, in der du ein Teil von meinem Leben warst. Es tut mir leid, dass ich versagt habe. Es… tut mir leid, W.
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