Wann ist genug?
Die Tür knarzt als sie geöffnet wird. Ohne hinzusehen finden die Finger des Mädchens den Lichtschalter, dann blinzelt sie gegen die plötzliche Helligkeit. Sie mag den Raum nicht. Trist ist er, hohe Wände, grauer Boden. Eine Seite bedeckt von einem riesigen Spiegel. Ein gelangweiltes Gesicht, dass ihr aus diesem entgegenblickt. Ärgerlich über sich selbst wendet sie den Blick ab. Einsam ist sie in diesem Raum. Ganz alleine. Nur sie und das Mädchen im Spiegel.
Früher war sie gerne hier. Mittlerweile regt sich die Abneigung. Aber die Worte der Mutter hallen in ihrem Kopf: ‚Übe bis es genug ist. ‘ Wann ist denn genug, fragt sie sich. Kurz huscht ihr Blick auf die Uhr, als könne diese ihr die Frage beantworten. Aber alles was man hören kann, ist das monotone Ticken der Zeiger. Ihr Blick fällt wieder auf ihr Spiegelbild. Es scheint sie fast hämisch anzuschauen. Als wolle es ihr sagen, wie dumm sie sei, wieder her gekommen zu sein. Mit leichtem Schaudern wendet sie sich ab. Schaltet die Musikanlage ein. Versucht, alles andere zu vergessen. Wie jedes mal. Hat sie dies nicht schon oft genug getan?
Dennoch fällt ihr Blick immer wieder auf die Uhr. Natürlich weiß sie es besser. Doch trotz ihrer Abneigung vergisst sie irgendwann alles um sich und zuckt überrascht zusammen als die Tür wieder laut protestierend geöffnet wird. „Du bist immer noch hier?“ Erschöpft und zu müde um eine vernünftige Antwort zu geben, nickt sie bloß. „Na dann, komm mit.“ Leise klingen ihre Schritte bis sie in der Tür innehält und nochmal einen Blick auf die Uhr wirft. „Wann ist denn genug?“ Die Mutter hält inne und wirft ihr einen verwirrten Blick zu bevor sie weitergeht.
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