Warum?
„Guckt ihn euch an! Schaut nur, wie er uns anglotzt!“ Mit einer kurzen Handbewegung gab Theo seinen Kumpanen ein Zeichen und sie drückten mein Gesicht wieder in den Schlamm. Ich ignorierte den Drang nach Luft zu schnappen und versuchte stattdessen mich hoch zu stemmen. Etwas Schweres fiel auf meinen Rücken und ich hörte meinen ehemalig besten Freund rufen: „Mein Gott! Der hat ja überhaupt keine Kraft! So schwach wie der ist, könnte er glatt als Mädchen durchgeh’n! Schon peinlich…“ Ich schaffte es endlich meinen Kopf anzuheben und spuckte den Schlamm aus, den ich beinahe geschluckt hatte. „Theo! Achtung! Da kommt ein Lehrer in unsere Richtung!“ Plötzlich verschwand das Gewicht von meinem Rücken und ich hörte, wie sich schnelle Schritte entfernten. Ich rappelte mich auf und wischte mir zitternd den Schmutz aus dem Gesicht. Ein Schluchzen entfloh meiner Kehle. Ich zuckte zusammen. Von hinten hatte mich eine Hand gepackt. „Matthias! Was ist passiert? Geht es dir gut?“ Stumm sah ich in das Gesicht meines Lehrers und dann rannte ich. Ich rannte so schnell ich konnte. Meine Füße trugen mich weiter fort. Ohne zu wissen, wo ich mich befand, drückte ich Türen auf, rauschte durch Gänge und ließ alles hinter mir. Mit keuchendem Atem und roten, verheulten Augen rutschte ich an der Wand einer Jungentoilette herunter und vergrub mein Gesicht in meinen Armen. „Wieso nur hasste er mich so? Wieso tat er mir das an?“, hämmerte es in meinem Kopf. „Was habe ich falsch gemacht, dass ich all das hier verdiene?“ Plötzlich packte mich etwas, zog mich hoch und drückte mich gegen die Wand. „Hallo, du Opfer!“ war das einzige, was ich noch hörte, bevor mich der erste Schlag traf. Mein Kopf flog zurück und knallte gegen einen Spiegel. Blut sickerte aus einer Wunde an meinem Kopf und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Ich sackte zusammen und kippte zur Seite, wobei ich mit der linken Schläfe gegen ein Waschbecken krachte. Reglos blieb ich liegen und ließ zu, dass mir immer wieder in den Bauch getreten wurde. Die Schmerzen pulsierten durch meinen Körper, immer stärker und Adrenalin schoss durch meine Glieder. Ich versuchte aufzustehen und fiel wieder hin. Ich konnte einfach nicht… oder doch? Ich verlagerte mein Gewicht und versuchte es noch einmal. Endlich. Mühsam kämpfte ich mich hoch, und dann stand ich. Ich blickte in die eiskalten Augen meines Gegners und dann schnellte meine Faust vor und verpasste Theo einen Kinnhaken, der ihn taumeln ließ. Dann stürzte ich mich auf ihn, brachte ihn zu Fall und endlich, nach Jahren, schrie ich mir die Wut von der Seele „WARUM! TUST! DU! DAS!“ Und plötzlich, ohne Vorwarnung, lagen seine Lippen auf meinen.
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