Was auch kommen mag
Sanfte Klaviertöne erfüllen die Luft, schweben über mich hinweg, lassen den kaum vernehmbaren Regen in den Hintergrund treten. Sachte Noten umwerben mich, rufen Erinnerungen hervor, bewirken, dass ich gleichzeitig falle und fliege, mich nach dir sehne und dich doch weiter wegstoßen möchte als jemals zuvor. Doch das Verlangen siegt, und ich lehne meinen Kopf erschöpft an deine Schulter. Durch die Fenster meines Zimmers beobachte ich, wie die Welt draußen unter Wassermassen versinkt, gleichzeitig ertränkt und neu geboren wird, während ich hier drinnen an meinen eigenen Gedanken beinahe ersticke.
Ich bin erschöpft. Ausgelaugt. Am Ende. Es war eine viel zu lange Nacht, und sie ist noch nicht vorbei. Ich muss mich anlehnen, mich festhalten, irgendwo, irgendwie – auch wenn die letzte Annäherung zwischen uns beiden Ewigkeiten her ist, und eigentlich nicht sein darf. Weil ich weiß, was jegliches Anzeichen von Zuneigung mit mir anstellen wird, wie es mich in tausend Stücke zerreißen und zugrunde richten wird, bis ich mich in mühevoller, monatelanger Arbeit wieder in den Griff bekomme.
Aber es tut so gut. Zu spüren, wie du instinktiv deinen Arm um mich legst. Zu fühlen, wie deine Finger langsam durch mein Haar streichen, immer und immer wieder. Wie du mich festhältst, während ich von Tränen und Schluchzern geschüttelt werde, obgleich du noch nicht einmal weißt, weshalb. Endlich wieder etwas Anderes zu empfinden als pures, stechendes Sehnen und Leiden, wenn ich dich sehe - nämlich das unglaubliche Glück, dass du dich doch um mich sorgst.
Obwohl ich seit Tagen, seit Wochen versuche, dich aus meinen Gedanken zu verbannen, meine Gefühle wegzusperren, meine Sehnsucht zu beherrschen – es genügt diese winzige Geste deinerseits, der Bruchteil einer Erinnerung, um mich in das Labyrinth von Emotionen zurückzuwerfen. Zurück auf die verworrenen Wege meiner Gedanken, die in alle Richtungen rennen, und am Ende doch nur wieder zu dir zurückkehren, die niemals wirklich von dir loskommen, weil du nie verschwindest, mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Seit scheinbaren Ewigkeiten bist du in mir verwurzelt, verwoben im Netz meiner Hilflosigkeit, und ich schaffe es nicht, dich daraus zu befreien – oder will ich es nicht?
Jede Sekunde, die ich bei dir oder bloß in Gedanken an dich verbringe, ist ungleich qualvoller der vorangegangenen, von Schmerz, Zweifel und Ungewissheit durchdrungen. Doch ich schaffe es nicht, dich zurückzuweisen, dich zu hassen und zum Teufel zu jagen, ganz gleich, wie sehr du es verdient hättest. Denn das einzige, was schlimmer wäre, als die jetzige Ungewissheit, was mich noch viel mehr zerstören, mich für immer ruinieren würde… Wäre nie wieder mit dir sprechen zu können. Ich kann dich einfach nicht verlieren. Ich darf es nicht. Ich will es nicht.
Ich bin nicht stark genug, um dich vollkommen gehen zu lassen, nicht stark genug, um dich zurückzuweisen – nicht stark genug, dich nicht mehr zu wollen. Ganz gleich, was war, und noch kommen mag.
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