Was bleibt?
Die Windböen wurden immer stärker und wirbelten immer mehr goldenen Sand vom Boden auf und in der Luft herum. Die kleinen Sandkörner fühlten sich wie Schleifpapier auf der Haut an. Sie warf einen letzten Blick auf die Stadt als sie wie eine Statue auf den Dünen stand. Für einen Moment war es so als wäre die Zeit eingefroren, die Uhr stehen geblieben. Ihr Blick glitt über die ihr so vertrauten und nun zerstörten Gebäude. In dem Moment, als sie ihre Augen schloss, versuchte sie all die Erinnerungen, die sie von ihrer Heimat, ihrer Familie und ihren Freunden hatte, in ihrem Kopf und Herzen für alle Zeit festzuhalten. Sie hatte Angst vor dem Vergessen. Angst vor dem Tag an dem sie nur noch verschwommene Gesichter mit Namen in ihrem Kopf sehen würde. Über der verwüsteten Stadt stiegen nun Wolken auf. Die grauen Rauchwolken wurden immer größer und dunkler. Durch den Wind verbreitete sich das Feuer rasend schnell. Bald würden nur mehr Ruinen übrig seien. Als sie schwarze Punkte vor der von den Flammen Großteils verschlungenen Stadt sah wurde ihr klar, dass es Zeit war aufzubrechen. Sie erinnerte sich an heute Morgen. An den Marktplatz zu dem sie mit ihrer Mutter gegangen war. Das Lachen der Kinder, die Luft die mit Gesprächen und Düften der exotischsten Gewürze erfüllt war. Dann kam das Schlagen der Stadtglocke. Es war ein Moment der Verwirrung. Alles war so still. Die alte Stadtglocke wurde nie geschlagen. Dann begannen Schüsse die Stille zu unterbrechen. Panik brach aus als allen klar wurde, dass die Stadt unter Angriff stand. Alle dachten sie hätten noch so viel Zeit bevor Dorouhan dran war. Doch genau das ist das Ding mit der Zeit. Man denkt man hat so viel von ihr, aber dann ist sie plötzlich abgeronnen. Das war Dorouhans einziger Fehler und auch sein Untergang. Geschrei und Panik brachen aus. Die Armee brach in nur wenigen Minuten zusammen, als ihnen klar wurde dass sie infiltriert wurden. Die Schüsse kamen von innerhalb der flüchtenden Menschenmengen innerhalb ihrer eigenen Mauern. Was hätten sie auch tun sollen, ihre eigenen Leute erschießen. Nein in dem Moment wurde es klar das Dorouhan verloren war. Sie ergriff die Hand ihrer Mutter und zerrte sie durch die schreienden Menschenmengen in Richtung der Felder nördlich der Stadt. Aber die Felder waren nicht mehr grün. Alles war rot. Blut auf den Wegen und die Leichen von den Bauern die dort arbeiteten. Entsetzen machte sich in ihr breit. Plötzlich hörte sie das dumpfe Aufschlagen eines Körpers auf dem Boden. Sie drehte sich um, nur um ihre Mutter zu sehen, die sich mit beiden Händen ihren Bauch hielt. Zwischen ihnen quoll Blut hervor. So viel Blut. Das Mädchen sank auf ihre Knie. Sie fühlte sich wie betäubt. Das einzige, das sie noch von ihrer Mutter zugeflüstert bekam war: „Bitte Geh“. Danach wurden ihre Augen glasig und das Mädchen rannte. Als sie nun die sich vor ihr endlos erstreckende Wüste sah, fühlte sie sich wie ein Sandkorn. Eines von vielen und so alleine und verloren.
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