Was geschieht gerade?
1992, Sarajevo, ich versteckte mich mit meinen zwei großen Brüdern in meinem Zimmer. Ich hatte Angst, Angst mit dem Gewissen, was morgen oder in wenigen Stunden passieren könnte. In meinem Kopf hatte ich nur eines, und zwar den Gedanken, ob ich meine Familie jemals wieder sehen würde, und das glücklich beisammen. Ich fragte mich nur, wieso genau uns das passieren musste. Plötzlich geschah es… Sie stürmten in unser Haus , nahmen meine älteren Brüder und meinen Vater mit. Ich blieb bei meiner Mutter, was ich nicht verstand, wieso konnte ich nicht mitgehen, fragte ich mich. Die Männer, die sie mitnahmen, sahen wütend aus, schrien andauernd und machten mir Angst. Als vierjähriges Kind wusste ich nicht, was geschah. Meine Mutter und ich stürmten aus unserem Haus, was ich nicht verstand, denn es war unsere Heimat, sie nahm meine Hand und rannte mit mir von unserem Zuhause weg. Ich hatte Angst, Angst nicht zu kennen, wie das Leben weitergeht. Ich hörte das laute Schießen der Waffen, das Weinen anderer Kinder und Mütter, welches mir im Herzen weh tat. Wir alle rannten so schnell wir konnten weg, und fanden nach wenigen Tagen ein sicheres, weit entferntes Camp, wo wir eine Nacht lang schlafen durften. An diesem Abend kam eine alte Frau zu uns, und meinte, dass sie meine Oma kannte. Sie gab uns eine kleine Schachtel, die wir nicht öffnen durften, sie meinte, wir müssten mit dieser Schachtel in der Hand einschlafen, um in Sicherheit zu gelangen. Wir taten dies, und meine Mutter und ich schliefen ein, in der Hoffnung, dass es uns schnell gut ginge, und wir unsere Familie wieder sehen würden. Ich wachte auf, und traute meinen Augen nicht. Ich fing an zu zittern und zu weinen, meine Mutter ebenso. Wir wachten in einer kleinen Wohnung auf, meine Geschwister und mein Vater sind zurückgekehrt. Wir fanden heraus, dass wir uns in der Hauptstadt Österreichs befanden, in Wien. 736 Kilometer von unserem Zuhause entfernt. Meine Mutter und ich wussten nicht, wie das geschehen konnte, gestern schliefen wir noch im Camp und heute befanden wir uns in einem anderen Land? Vater meinte, das sei unser neues Zuhause, und dass wir hier weiterleben werden. Meine Familie weinte stundenlang und trauerte um sehr viele Familienmitglieder, die es leider nicht geschafft hatten. Wir hatten das Jahr 2025, was hieß, dass der blutige Krieg ein Ende hatte, und es herrschte Frieden in unserem Heimatland. Da meine Eltern sich einigten, in Zukunft in Wien zu leben, werde ich hier zur Schule gehen, ohne Angst haben zu müssen, was mich sehr glücklich machte. Bis heute wissen meine Mutter und ich nicht, wie es passierte, dass wir durch eine kleine Schachtel ein neues Leben bekamen, es war wie Zauberei. Heute lebe ich mit meiner Familie so glücklich wie nie zuvor, und uns ging es nie besser. Wir alle machten eine schwierige Zeit durch, mit viel Verlust, aber auch mit viel Glück.
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