Was ich hätte verlieren können
Was wäre das Leben, ohne die, die wir lieben? Was wäre ich, ohne die, die ich Liebe? Wäre ich noch vollständig oder würde ich mich für den Rest meines Lebens so fühlen wie jetzt? Leer. Taub. Als wäre etwas in mir zerbrochen, von dem ich dachte, es sei unzerstörbar, auf ewig bestehend.
Ich ließ meinen Kopf, der mir von Minute zu Minute schwerer vorkam, in meine Handflächen sinken. Die Müdigkeit umgab mich, doch ich weigerte mich, ihr nachzugeben. Ich konnte nicht. Es könnte sein, dass sie jederzeit wieder erwachte. Es musste so sein. Die Geräusche des Krankenhauses, in dem ich mich seit Stunden, die sich wie ein halbes Leben anfühlten, rückten in immer weitere Ferne und die Gedanken in meinem Kopf wurden unglaublich laut.
Es war mitten in der Nacht. Ich sah Maya und mich, wie wir aus unserem Lieblingsrestaurant hinausgingen, als wäre ich ein körperloser Beobachter. Wir hatten uns gestritten, sie ging mit zornigen Schritten vor mir her, während wir auf dem Gehsteig die Richtung zu unserem Haus einschlugen.
Ich versuchte, die Erinnerung zu verdrängen. Ich wusste, was jetzt kam, doch ich schaffte es nicht, meinen Geist von den grausigen Bildern abzuwenden, die nun unweigerlich folgen würden.
Das Auto kam wie aus dem Nichts um die Kurve geschossen. Es war viel zu schnell, schoss mit einer Geschwindigkeit weit über dem Tempolimit auf der Straße entlang.
Wie hatte ich ihn nur übersehen können, den abwesenden Blick des Fahrers? Ich hätte neben Maya stehen müssen, die Gefahr rechtzeitig erkennen und sie wegziehen müssen.
Ein plötzlicher Ruck durch den Arm des Fahrers und der Wagen kam auf Maya zugeschossen. Ich war wie Maya in Schock und als ich endlich loslief, war es zu spät. Das vom Kurs abgekommene Auto hatte sie erwischt, sie hatte nicht schnell genug weglaufen können.
Ich roch immer noch den Rauch, der aus der Motorhaube des Wagens gekommen war, doch noch viel penetranter nahm ich den Geruch nach Blut. Ich war zu ihr gelaufen, so schnell ich konnte, doch es wäre nie schnell genug gewesen.
Sie bewegte sich nicht. Sie hatte schon nicht auf meine Rufe reagiert und jetzt bewegte sie sich nicht! Tränen der Verzweiflung rannen über mein Gesicht, während ich ungeschickt mein Handy aus der Tasche fischte. Wieso dauerte das denn so lange, ich musste schneller sein, sie brauchte Hilfe! Sirenen näherten sich, Einsatzkräfte kamen schlitternd zum Stehen. Meine Frau wurde aus meinen Armen und auf eine Trage gehoben. Ich stieg hinter ihr in den Rettungswagen, hektische Anweisungen wurden gerufen. Doch ich hörte nichts davon, sag nur das Heben und Senken von Mayas Brust, das Blut, dass immer noch schnell aus einer Wunde an ihrem Oberschenkel floss.
„Sir? Sind Sie Felix Steinbach, der Mann von Maya?“, riss eine Ärztin mich aus meinen Gedanken. Ich nickte, mehr traute ich mir nicht zu. Was, wenn die OP nicht… „Es war knapp, aber Ihre Frau wird wieder genesen.“ Meine Welt begann wieder sich zu drehen. Mit genügend Zeit würde alles wieder gut werden. Zeit, die wir nun hatten.
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