Was ist aus dir geworden?
Ich höre meinen Namen. "Olivia", sagt die Stimme. Ich ignoriere sie, schließlich höre ich oft Phantomstimmen. "Olivia" sagt die Stimme nocheinmal. Diesmal höre ich genauer hin. Es ist eine zarte, junge Mädchenstimme. Sie muss etwa zehn sein. Auf einmal höre ich Schritte die durch meine Zimmertür gehen. Vor meinem Bett bleibt das Mädchen stehen. Irgendetwas an ihr kommt mir bekannt vor, aber ich kann nicht genau sagen was.
"Wer bist du? ", frage ich. Das Mädchen lacht nur und sagt: "Du erkennst mich wirklich nicht? " Ich sehe sie genauer an. Die Zahnlücke, der Haarreifen in ihren brünetten Haaren, und das Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie ist ich. Ich bin sie. Bevor ich etwas sagen kann, redet sie schon munter weiter. "Du bist schon erwachsen oder? Ich will sooo gern erwachsen sein! " Ich bringe nur ein müdes Lächeln zustande. "Glaub mir, das willst du nicht. " Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen. Dabei ist ihre Stirn faltenfrei. Nicht so wie meine, weil ich immer meine Stirn runzele. "Aber warum denn nicht? Erwachsen sein ist sooo toll! Dann kann ich soviel Süßigkeiten essen wie ich will, so lange lesen wie ich will, und dann hab ich ganz viele Freunde und bin nicht mehr so allein. " Was soll ich ihr sagen?
Wohl kaum das sie die nächsten Jahre wegen ihrer Gutmütigkeit ausgenutzt wird, und das jeder den sie kennt gefühlt in einem schnelleren Tempo leben wird als sie.
Diesmal ist mein Lächeln echt. "Geniess deine Kindheit solange du noch kannst. Nur weil andere schon "angeblich" soviel weiter sind als du muss das nichts heißen. " Olivia will gerade etwas erwidern, aber aufeinmal verpufft ihre Erscheinung, und ich bleibe allein in meinem Zimmer zurück. Ich gehe zu meinem CD-Player und lege die Lieblings CD von Kindheits-Olivia ein.
Man will immer genau das, was man nicht haben kann.
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