Wasser ins Feuer
Ich küsse ihn. Und es wirkt. Ich kann nicht mehr klar denken, fühle nicht mehr den Schmerz oder die Angst. Die Angst vor ihm. Vor ihm, der so viel älter ist als ich. Der immer so selbstsicher scheint, der mich von Anfang an zu verführen versucht hat.
Zum ersten Mal bin ich froh, dass meine Hormone verrücktspielen, dass ich nur beschränkt Kontrolle über meine Gedanken und Gefühle habe. Ich kann das nutzen, um mich zu betäuben. Denn jetzt denke ich nicht mehr, mein Gehirn schaltet sich ab. Ich kann keine klaren Gedanken mehr fassen, endlich sind die Folter-Stimmen still.
Dass es nur Betäubung und nicht Linderung ist, weiß ich, als er versucht, den Kuss zu vertiefen. Plötzlich ist die Angst wieder da, Alarmglocken hallen schrill und laut in meinem Kopf. Ich will nichts lieber als weg zu laufen, weit weg, so schnell und so weit wie möglich. Aber ich bleibe stehen und lehne mich nur leicht von ihm weg. Er sieht mich an. Zu der Angst mischt sich Schuld. Schuld, dass ich ihn nur benutzt habe, um mich zu betäuben. Dass ich so tue, als wäre ich in ihn verliebt, obwohl ich weiß, das bin ich nicht. Ich weiß ja noch nicht einmal, was verliebt sein überhaupt bedeutet. Ich war noch nie verliebt. Es ist nur mein Körper, der reagiert.
Ich weiß, dass es primär der Schmerz war, den ich zu betäuben suchte. Hundert Leute, die mir versprochen, wir wären die besten Freunde, ich hatte zumindest gehofft, wir wären befreundet. Und antworten taten sie nie. An jenem Abend wieder, ein Brief, mit mühevoller Hingabe geschrieben, zur Post gebracht und doch wissend, dass es diesmal nicht anders sein würde. Wieder keine Antwort. Bittere Enttäuschung, wie eine zornige Flamme, die in der Kehle brennt.
Aber die Hoffnung ist noch viel schlimmer. Wenn man versucht, diese Flamme zu ersticken, es ist als würde man einen Ölbrand mit Wasser begießen. Es gibt eine Stichflamme und danach tut es noch mehr weh.
Ich bereue es.
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