Wenn alles anfängt sich zu drehen
Wenn alles um mich herum plötzlich zu verschwimmen beginnt, alles anfängt sich zu drehen und sich mein Blick einen Ankerpunkt sucht, einen Fels in der Brandung, dann kommen mir immer die komischsten Gedanken. Ein dichter und dunkler Nebel wabert durch meinen Kopf, erschwert mir das Denken und das Sehen. Wie betäubt stehe ich mittendrin, unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen.
Und doch sind das die Momente, in denen mir die Welt ein Stück klarer erscheint. Für ein paar wenige Sekunden habe ich das Gefühl, das Leben und dessen Sinn zu verstehen, und mir wird bewusst, wie oft ich die Augen verschließe, absichtlich nicht hinsehe, einfach, weil ich es kann. Was für Chancen ich dadurch verpasse, was für Chancen ich anderen verweigere, ohne es überhaupt zu realisieren. Denn was geht es mich schon an, was außerhalb meiner rosaroten Bubble passiert? Was interessiert mich das Leben anderer und die Gesellschaft, wenn ich mich in der glücklichen Lage befinde, mich vor ihr verstecken zu können? Auch wenn das heißt, mich auch vor mir selbst zu verstecken. Aber habe ich das nicht eigentlich schon immer getan?
Ich sehe dich vor meinem inneren Auge. Die Konturen deines Körpers heben sich deutlich von dem verschwommenen Hintergrund ab, zerschneiden die trostlose Dunkelheit und lassen dich wie einen Engel aus dem Nebel erscheinen. Deine Lippen umspielt ein sanftes Lächeln und du amüsierst dich über mich und mein Gedanken-Karussell. Ich fühle mich hilflos und verloren, wenn deine warmen Augen meine Seele streifen, mein wahres Ich enthüllen, nur für den Bruchteil einer Sekunde. Ich starre meinem eigenen Selbst in der Reflexion deiner tiefblauen Iris entgegen.
Und plötzlich bin ich ganz allein. Einsamer als je zuvor. Druck schnürt mir die Kehle zu. Um mich herum meine Ängste, Wünsche, Sehnsüchte, Erwartungen. Sie fliegen kreuz und quer durch die Luft und ihr unerträglich lautes Schweigen scheint mich auszuspotten. Ich kann nicht mehr atmen, meine Knie geben nach und ich sinke zu Boden, drohe in meinen Tränen zu ertrinken.
Doch du hast Erbarmen mit mir. Wie jedes Mal streckst du mir deine rettende Hand entgegen und ziehst mich heraus aus meinem Strudel der Wahrheit, dem gesellschaftlichen Druck und der unendlichen Möglichkeiten.
Ich spüre meinen Körper wieder, höre meinen Herzschlag rasen und meine Lunge gegen meinen Brustkorb schlagen. Meine Augen gewöhnen sich langsam an das grelle Licht und ich vernehme ein dumpfes Stimmenwirrwarr, das von sehr weit weg zu kommen scheint.
Dann ist der Augenblick vorbei. Endgültig.
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