Wenn aus Verzweiflung Kunst wird
Ich sitze auf meinem unbequemen, quietschenden Schulsessel und starre auf das leere Blatt Papier vor mir. Was soll ich bloß schreiben? Was soll ich bloß schreiben?
Meine feuerroten Haare fallen mir ins Gesicht, während ich ungerührt den Stift in der Hand halte. „Einfach versuchen“, das wurde mir gesagt. „Nicht zu viel nachdenken“, das wurde mir empfohlen.
Das Thema schwirrt in meinem Kopf, wie Bienen um ihren Wabenstock. Zeit. Ein Wort. Eine Silbe. Vier Buchstaben. Ein so einfacher Ausdruck, und doch so knifflig zu beschreiben.
Zeit. Einmal flitzt sie an einem vorbei wie ein Blitz, einmal vergeht sie so langsam, wie die Bewegung eines Schneckenhauses. Manchmal unbeschreiblich märchenhaft, wie ein Sonnenuntergang am Meer, manchmal zutiefst traumatisierend, wie der Tod eines Nahestehenden. Oft löst sie Stress aus, aufgrund von Druck, oft wirkt sie entspannend durch ihre Gelassenheit.
„Was ein blödes Thema!“, höre ich einen meiner Klassenkameraden sagen. „Wirklich, Frau Professorin, das ist doch Schwachsinn“, fügt ein anderer hinzu.
Doch ich ignoriere die Rufe meiner Mitschüler und versuche es einfach.
Tempo. Ein Wort. Zwei Silben. Fünf Buchstaben.
Tempo. Ein Wort mit einer Definition. Zwei Silben, die für jeden zweiten mit etwas anderem verbunden werden. Fünf Buchstaben, zusammenhängend mit vielen unterschiedlichen Ereignissen.
Für einen Biologen beschreibt das Tempo, das langsam voranschreitende Wachstum einer Pflanze. Einen Physiker interessiert bloß das Gerät, das im Auto eingebaut ist und die Geschwindigkeit angibt. Ein Psychologe philosophiert über die Zeit im Leben und dessen Tempo, ein Mathematiker beginnt irgendetwas zu dividieren und multiplizieren.
Doch was verbinde ich mit dem Wort Tempo?
Ich nehme das Stück Papier und zerknülle es. Was für ein Schwachsinn! Woher soll ich denn wissen, was ich mit dem Wort verbinde? Ich verbringe mehrere Minuten damit, in die Luft zu starren, bis ich beschließe, es noch einmal zu versuchen. Neues Blatt – neues Glück.
Zeit
Was genau ist Zeit?
Eine exakte Definition scheint unfassbar weit.
Sind es die Sekunden,
die verfliegen wie im eiligen Winde,
oder doch die Stunden,
langsam wie das Wachstum einer Rinde?
Zeit scheint oft flott zu vergehen,
so wie das Leben selbst.
Ich muss gestehen,
es passiert vieles eilig und schnellst.
Niemand lebt im Moment,
und es ist kein Talent,
von einem Geschehnis ins nächste zu springen,
und wie in Wasser unterzugehen und nach Luft zu ringen.
Das Tempo schreitet voran,
kein Ende scheint in Sicht zu sein.
Doch schau einmal näher heran,
dann siehst du etwas ganz geheim.
Es lebt nur der,
man hat nur mehr,
wer die Zeit wirklich blickt,
und im richtigen Tempo bleibt geschickt.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:




















Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX