wenn das leben dir zitronen gibt
ich halte den geschmack von zitronen nicht aus
das zittern heißt brigitte,
manchmal schläft sie, während ich wach bin
wacht, während ich schlafe
stiehlt mir die schafe, die ich zu zählen versuche
dann wird das zittern zum zucken
und brigitte, die lacht.
heute hat sie nicht in der nacht über mich gewacht
ich strecke die hand aus, die sie kontrolliert,
meine finger - von unsichtbaren fäden am körper fixiert – entziehen sich mir
berühren das glas. den kokon.
hab ihn geputzt, was nicht nötig war, sodass niemand ihn sieht
es klirrt, wenn die dagegenlaufen
sie merken das nicht.
brigitte ist mein gesicht
brigitte ist nicht ich
brigitte bin ich nicht
brigitte lacht.
„ist dir kalt“, fragt man
„nein“, erwidere ich. „das ist nur das zittern“ -
man versteht mich nicht.
frequenzen, die verloren gehen
sehe meine worte erzittern und an den kokon knallen und einfach runterfallen
ich bleibe darin
mit brigitte, und dem zittern, und ohne zitronen, und ich bin
sie hat keinen körper, kein gesicht, nur mich, man sieht sie nicht, sieht sie doch, in meinem gesicht, ich bin es nicht
brigitte schränkt der kokon nicht ein,
hier existiert sie ohne selbst zu sein
niemand erkennt wo das glas beginnt, die welt verschwimmt
lege die hand an die gläserne wand, forme die faust, schlage nicht zu
will graben
hände tief eintauchen
sie als spaten missbrauchen bis sie versagen
wühlen, buddeln, scharren und schaufeln
bis ich brigitte finde
sie anschreien, beleidigen, von mir weisen
sie einfangen
rausschmeißen
meine autorität beweisen
will schreien, „geh, bitte, brigitte!“
kann nicht mehr schreien.
brigitte hält meine lippen versiegelt
zieht die worte die luftröhre hinab
fesselt sie dort
und lacht.
kokon aus panzerglas gemacht
un-zer-stör-bar.
hab den verdacht dass alle in kokons leben
die gläsernen wände zu mauern verweben
wenn man glück hat ist man auf der richtigen seite, sonst
sieht man sich selbst ins gesicht
sehe mich, mit erhobener hand, von mir unerkannt
spiegel von vorne und hinten, ein tunnel aus reflexionen
zum schlag ausholend, auf ewig erstarrt
mein ich in unendlichen variationen
kokon meine rüstung,
brigitte mein general
und das glas ist wie stahl
nicht ein-kratz-bar.
zitronen können panzerglas zersplittern
das ist mir klar
brigitte auch
ver-wund-bar.
wenn zitronen meine zunge zum kräuseln bringen, mein körper beginnt, mit dem zittern zu disharmonieren
wenn säure in die löcher dringt, die sonst brigittes heimat sind
dann will ich das nicht
meine worte waren so lange gefesselt, wer weiß
ob sie noch fliegen könnten
würde es nicht wollen
wenn der kokon nicht wäre, dann fehlte seine beruhigende schwere
könnten die worte entkommen
würde brigitte die hoheit genommen
das will ich
nicht wollen sollen
aber sie zwingt mich dazu, glaube ich
und wenn ich es doch will, wenn ich doch schreie, wenn ich doch zitronensäure risse machen lasse deren dimension ich nicht mehr erfasse, wenn ich es schaffe, zu schreien:
"geh! , bitte! "
und es gelingt mich von ihr zu befreien,
ohne brigitte
stünde mein ich
alleine da. nackt gemacht. kann das gehen?
brigitte lacht.
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