Wenn Wünsche in Erfüllung gehen
Gelernt, was ‚Hals über Kopf’ wirklich bedeutet, habe ich mit vier Jahren. Vier Jahre war ich alt, als meine Eltern mir plötzlich berichtet hatten, dass wir umziehen würden, in eine völlig fremde Stadt. Und das hatten sie beschlossen von einer Sekunde auf die andere, wir sind umgezogen, als würden wir vor etwas fliehen.
Mittlerweile weiß ich auch, was das war. Und ich bin hier, um euch meine Geschichte erzählen. Meine Geschichte und die Geschichte meiner allerersten Freundin.
Früher hatte ich es schwer, Freunde zu finden. Die anderen Kinder waren älter als ich und wollten mit einem „Baby“ wie mir nichts zu tun haben. Wenn ich versuchte, mit ihnen zu spielen sagten sie mir, ich sei noch zu klein für das, was sie taten, obwohl ich nur ein paar Jahre jünger war. Ich wollte einfach nur eine Freundin, und weil ich keinen hatte, habe ich mir einen ausgedacht.
Das war meine erste Freundin. Mit der ich über alles reden konnte, meine Puppen zeigen und meine Geheimnisse erzählen. Es war ein Mädchen, acht Jahre alt. Sie hatte lange, schwarze Haare und grüne Augen.
Sie hieß Emily. Ich habe stundenlang mit ihr gespielt. Wir haben für uns beide und meine Stofftiere Tee gemacht. Wir haben zusammen meine Puppen angezogen. Emily hat gespielt, was ich wollte, ohne dass sie es babyhaft gefunden hatte.
Ich wollte unbedingt auch meinen Eltern von ihr erzählen. Aber jedes Mal, wenn ich sie fragte, ob ich das tun könnte, meinte sie, meine Eltern würden das nicht verstehen und versuchen, uns zu trennen. Ich konnte das nicht glauben, schließlich war Emily meine beste Freundin. Aber sie gab nicht nach.
Ein paar Wochen blieb ich still, dann platzte es einmal beim Abendessen einfach aus mir heraus. Anfangs schienen sie sich nicht sehr zu interessieren, aber ich erzählte alles: Was wir schon gemacht hatten, wie nett Emily war und wie sie aussah.
Dann passierte etwas, das ich mir nicht erklären konnte. Meine Eltern wirkten schockiert und sagten mir, ich solle meine Sachen packen. Sie beschlossen, einfach so auszuziehen, von einer Sekunde auf die andere. Unser altes Zuhause, in dem ich aufgewachsen war, wie fluchtartig und ohne jede Erklärung zu verlassen. Ohne zu wissen, was passierte, saß ich schon im Auto. Ich sah Emily mit traurigem Blick am Fenster stehen.
In der neuen Stadt gab es mehr Kinder in meinem Alter. Ich kam in die Schule und fand neue Freunde. Aber Emily traf ich nie wieder.
Mittlerweile bin ich vierzehn Jahre alt. Meine Eltern sind nur selten da. Deshalb bin ich tagsüber häufig bei meiner Oma. Sie macht mir zu essen und hilft mir bei den Hausaufgaben.
Vor ein paar Tagen habe ich in ihrem Haus ein Foto gefunden. Es zeigte ein etwa achtjähriges Mädchen mit langen, schwarzen Haaren und grünen Augen. Ich fragte Oma sofort, wer das war. Sie lächelte nur traurig und sagte: „Das ist deine Schwester, ein paar Tage, bevor sie bei einem Autounfall gestorben ist. Ihr Name war Emily.“
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