Wer weiß
“Wer weiß, ” hast du gemeint.
Bei diesen Worten musste ich mir das Schnaufen verdrücken, meine Frage war von größter Wichtigkeit, man könnte gar meinen, eine intelligente Antwort hätte dem dröhnenden Chaos in meinem Kopf ein kleines Fünkchen Frieden gebracht.
Aber alles was ich bekommen habe war ein“Wer weiß”, eine lausige, grammatikalisch gesehene Gegenfrage auf meine, die sich nun angehängt hat an meine mentale endlose Liste der unbeantworteten Fragen. Wer weiß es denn wirklich? Und wann wird er oder sie es endlich wissen? Wo findet man die Antwort zu Fragen, bei denen nur“wer” sie weiß.
Ich wälze mich erneut, die Hitze die sich zwischen meinem Körper und der Matratze gebildet hat, macht mich unrund, das Gefühl meiner Haut an den kalten, zuvor ungenutzten Teilen des Bettlaken gibt mir Gänsehaut, und als das Rascheln der Decke wieder ausklingt, bemerkte ich erst, wie still es war.
Wie still es ist.
Die Nacht, die den Himmel auf der anderen Seite meines Fensters schmückt, schweigt, und auch dein leises Atmen hinter mir kann ich nicht hören. Weder das Summen der Heizung noch das leise Rascheln von Blättern erlösen mich von dieser Totenstille.
Ich hebe meine Hand und halte sie vor mein Gesicht, als Kind habe ich das oft gemacht, wenn meine Mutter neben mir als Erste eingeschlafen ist, es hat mir geholfen, mich auf etwas anderes zu fokussieren als die Lautlosigkeit um mich herum.
Früher hatte ich eine irrationale aber gewaltige Angst vor der Stille, deswegen war die Musik in meinen Kopfhörern auf einem Prozent mehr als erlaubt, eine Serie lief immer im Hintergrund beim Hausaufgaben machen, und wenn es nachts leise wurde, hab ich mit den Fingernägel gegen mein Nachtkästchen geklopft.
Ich starre meine Hand weiter an, fahre die Sterne um sie herum ab wie ein Malen nach Zahlen Bild. Nur ein kurzer zittriger Atem, der etwas in mir zurückhielt, das ich nicht ganz beschreiben konnte, vielleicht ein kleines Mädchen, das diese quälende Stille brechen wollte, füllte den Raum.
Und danach fühlte ich nichts, weder Zeit noch Raum, weder die Hitze noch die Kälte. Nicht das Kissen unter meinem Kopf oder die Träne, die mir auf die Nase tropfen.
Es ist still.
Die Musik ist aus, die Serie ist zu Ende und mein altes Nachtkästchen ist auf irgendeiner Müllhalde entsorgt.
Ich höre deinen Atem hinter mir nicht mehr, und ich erinnere mich nicht an das letzte Mal, dass ich es tat. Wie lange liege ich hier schon?
Ein letztes Mal denke ich an all die wenigen Dinge, die ich war, als die Musik noch laut war, und über jene vielen, die ich nicht war, als meine Serien im Hintergrund ertönten.
Ich denke an all die unbeantworteten Fragen, an all die Dinge, die ich nie ausgesprochen habe.
Ich spüre sie nicht, aber eine weitere Träne rinnt mir über die Nase.
Meine Hand greift nach dem Holz des Nachttisches, noch einmal will ich ein Klopfen hören.
Noch einmal will ich etwas hören.
Ich erreiche das Holz nicht.
Ich frage mich, ob diese Stille ein Ende hat, und erinnere mich an deine Worte.
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