Wie die blauen Blumen
Ich kann dich nicht beschreiben. Ich werde es versuchen, aber es wird nicht schön werden. Dich zu beschreiben fällt mir schwer, weil ich dich nicht so sehe, wie ich andere sehe. Ich will diese Gefühle nicht fühlen, ich möchte sein wie alle. Das ist einfach.
Blau. Du bist mein Blau. Es versteht aber niemand.
Das Feld ist weit und man kann nicht bis ans Ende sehen. Wenn sich die Sonne hinter den hohen Bäumen senkt, genau dann liegt es still. Alles stoppt für einen Moment. Für viele Momente manchmal. Die ganze Welt ist ruhig, sie wartet auf etwas. Auf was, weiß ich nicht. Und wenn dann alles stillsteht, und nur der Wind fegt, über die Weizengräser und den steinigen, ewigen Weg entlang, genau dann sehe ich dich. Nur ganz kurz, aber ich sehe dich.
Das Feld ist groß und ich könnte laufen und das Ende würde ich trotzdem nicht finden. Wenn es dunkel ist, aber der Himmel noch leuchtet, lila oder rot, oder beides, dann ist die Flur traurig und beige. Die Zweige des Korns, das nur für einige Wochen hier blüht, sind so häufig, sind überall und wanken zusammen. Keiner denkt an die einzelnen Gräser, man denkt an das Ganze, an das graue Feld das traurig liegt und sich windet. Warum es traurig ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil es nicht besonders ist und nur als Ganzes schön erscheint. Nicht wie du und die Blumen. Ihr habt etwas, das ich nie haben werde. Etwas, das die meisten nicht haben. Ihr habt Farbe, wohl mutiger als der Rest dieser Welt, und ihr strahlt.
Meine Fingerkuppen streifen die spitzen Härchen des Weizens, des Feldes, des Ganzen und es kitzelt mich leicht. Das Licht, das wenige das noch da ist, scheint schräg auf die Welt. Ich meine, dass es zu diesem Zeitpunkt mystisch ist. Dann sehe ich dich. Am Rand. Das große Feld versucht dich zu verschlingen, aber ich kann dich erkennen, unter den Wellen des Grases, unter allem, ich sehe nur dich. Es glühen Blumen. Und sie passen überhaupt nicht ins Bild. Die Blüten sind zart, man könnte meinen, der Wind würde sie zerbrechen und hinfort tragen. Die Blumen wanken aber nicht. Sie sind standhaft und trotzen der Böe. Obwohl sie unscheinbar sind, und für die Welt nicht relevant, glühen sie hell, heller als der Mond es könnte, da bin ich mir sicher. Sie wollen gesehen werden, darum leuchten sie so grell, aber niemand sieht sie. Niemand außer mir.
Ich habe versucht sie zu pflücken. Die blauen Blumen, die im Licht des Dunkelwerdens strahlen und das Feld unwichtig wirken lassen. Doch sie sterben, wenn ich sie pflücke. Sie leuchten nicht für mich.
Die Blumen sind besonders, weil sie nicht wie alles sind. Und ich kann dich so beschreiben, aber keiner versteht es. Du bist wie die blauen Blumen. Sie machen aus trist so viel und noch mehr.
Ich könnte mich an dich heranwagen, ich könnte dich pflücken. Aber ich werde nicht.
Du bleibst meine Ferne, wie die blauen Blumen, aber zumindest weißt du es jetzt.
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