Wir sind alle Paprikas
Ich bin ein Paprika, du bist ein Paprika, jeder ist ein Paprika. Ja, jeder! Wir sind alle Paprikas!
Also ich präsentiere: die Paprikapflanze, ein hellgrünes Gewächs mit zum Verzehr geeigneten Früchten, die im Lauf ihres kurzen Lebens einen Reifeprozess vollenden, der in den meisten Fällen dazu führt, dass sie die Farbe ändern und kurz darauf im Magen eines meist menschlichen Wesens landen. Dieser Reifungsprozess ist, wenn man genau hinsieht, in vielerlei Hinsicht interessant. Beginnen wir mit dem kleinsten Stadium auf dem Lebensweg:
Die Kindheit. Paprikas tun in diesem Lebensabschnitt vor allem eine wichtige Sache: Sie fangen an zu wachsen. Paprikas werden von einem winzigen grünen rundlichen Knoten zu einem größeren grünen rundlichen Knoten. Dann wachsen sie erst einmal gemütlich vor sich hin, bis sie etwas älter sind. Bis dahin denkt man sich noch: „Paprikas sind doch was Feines! Die Pflege ist zwar manchmal etwas stressig, aber ich habe ja später was davon!“
Aber dieses später ist genau das Problem. Bevor die Früchte der Kreation geerntet werden können, muss man erst einmal den Reifungsprozess abwarten. Allerdings werden nicht alle Früchte ganz reif. Einige Exemplare sind noch so grün (hinter den Ohren), dass sie absolut ungeeignet für irgendeine Verwendung sind. Dabei nehmen sie sich auch noch die ganzen Nährstoffe, die andere bräuchten, um ihr Potential entfalten zu können. Sie sind dann ganz einfach dicke, fette, unreife Paprikas. Ja, wirklich! Einige sind noch nicht reif genug für die große weite Welt. Irgendwann werden sie es vielleicht sein, aber es kann auch passieren, dass sie gepflückt und gegessen werden, obwohl sie noch einen leichten Grünstich haben. Der Tod schneidet sie mit seiner Sense von der lebensbringenden Paprikapflanze und holt sie zu sich - niemand kann sich auf ewig an seinem Zweig festklammern. Auch die, die im hellen Sonnenschein gewachsen sind, werden schlussendlich geholt.
Doch manche kommen weiter, und jeder durchläuft diesen Prozess auf einem anderen Weg. Bei manchen färbt sich zuerst der obere Teil zart-rosa, oder sogar knallrot, wobei es passieren kann, dass man in dieser Phase recht lange stecken bleibt. Andere werden eines Tages feststellen, dass sich ihr ganzer Körper auf einmal verändert hat. Bei Paprikas wäre das die typische rötliche oder gelbliche Färbung. Es kann auch passieren, dass dieser Prozess kreuz und quer verläuft und man überall rote Flecken bekommt, oder dass man sich einfach von rechts nach links, links nach rechts oder von unten nach oben entwickelt.
Aber auch wenn so mancher Paprika furchtbare Probleme mit sich bringt, ist die Chance, dass er gedeiht, mit jedem bisschen zusätzlicher Pflege größer. Wenn man der kleinen Paprikapflanze nicht so viel Zeit widmen kann, gibt es immer noch hoffentlich nette Nachbarn und Verwandte, die bestimmt einmal zum Gießen vorbeikommen.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX