WO GESCHICHTEN LEBEN!
Es war einmal in einem kleinen Dorf, in dem es gerade mal einen Laden und eine Praxis gab, ein kleiner unscheinbarer Buchladen. Er war etwas abgelegen und vermutlich schon sehr alt. Der Besitzer dieses Ladens hieß Gerhard, ein älterer etwas besonderer Herr. Keiner konnte sich daran erinnern, dass es jemals eine Zeit ohne ihn im Dorf gab, und niemand wusste so genau, wie alt er wirklich war. Ein kleines Mädchen namens Melody war Stammkundin in dem besonderen Buchladen. Jeden Tag, wenn sie ihn betrat, begutachtete sie den leeren Blumentopf, in dem sich weder eine Pflanze noch Erde befand. Eines Tages packte sie die Neugierde, sie musste wissen, was es mit diesem Blumentopf auf sich hatte. Sie ging zu Gerhard und fragte ganz vorsichtig: “WAS HAT ES MIT DIESEM GEHEIMISVOLLEN BLUMENTOPF AUF SICH? ” Gerhard sah sie mit einem unscheinbaren Lächeln an und antwortete: “ES WIRD WOHL LANGSAM ZEIT, DASS DU LAVENDEL KENNEN LERNST! ” Aus dem Topf kroch eine kleine Pflanze, nein wohl eher ein Wesen, das nach Lavendel duftete. “ICH HEISSE LAVENDEL UND ICH HABE SEHR VIEL ZU ERZÄHLEN”, sagte sie fröhlich. Sie zeigte Melody den Boden des Blumentopfs, in welchem sich eine winzige Türe befand. “HIER UNTEN BEGINNT MEIN ABENTEUER! KOMMST DU MIT? ” Melody zögerte: “ABER ICH PASSE DA DOCH NIE DURCH? ” Lavendel kicherte und holte ein winziges Fläschchen hervor. “DAS WIRD SICH GLEICH ÄNDERN. ” Melody trank alles. Die Welt um sie herum wurde größer, oder sie kleiner. Als sie sich umsah, war sie kaum größer als ein Bleistift. Lavendel winkte sie durch die Tür. Gerhard beobachtete die beiden, schmunzelte und murmelte: “VIEL GLÜCK, KLEINE HELDINNEN. ” Hinter der Tür lag ein Lagerraum, doch er wirkte, lebendig. Bücher bewegten sich leicht als würden sie atmen. Aus den Ecken kamen seltsame Geräusche und auf einem Regal thronte ein riesiges Buch. Es war eingerissen und voller leerer Seiten. Lavendel schnappte nach Luft. “WAS IST MIT DIR PASSIERT? ”, flüsterte sie erschüttert. Plötzlich sprang ein Bücherwurm auf das Regal. Er war so groß wie Melody, hatte kleine Ärmchen und schwang einen glänzenden Säbel. Lavendel zog ihr Schwert aus einem Blatt. “NICHT MIT MIR! ”, rief sie und stürzte sich in den Kampf. Melody wich zurück, sie konnte nichts tun, noch nicht. Stattdessen beobachtete sie, wie Lavendel mit Geschick und Mut kämpfte. Schließlich stieß sie den Wurm vom Regal und in dem Moment, als er auftraf, zerfiel er zu Dutzenden kleinen, bedruckten Seiten. Die beiden sammelten sie vorsichtig ein und legten sie zurück ins Buch. Als die letzte Seite ihren Platz fand, öffnete sich das Buch mit einem leisen Knarzen und ein heller Sog riss Melody rückwärts, direkt ins Bücherregal. Sie wachte in Gerhards Armen auf. “DU BIST WIEDER DA”, sagte er ruhig. Melody rieb sich die Augen, die Uhr an der Wand zeigte ein seltsames Datum: 21. Oktober. “ABER GESTERN WAR DOCH NOCH SEPTEMBER? ”, stammelte sie. “DIE ZEIT VERGEHT ANDERS DORT, WO GESCHICHTEN LEBEN”, sagte Gerhard.
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