Wohin mit mir?
„Was wollen Sie?“
Wie oft hatte ich diese Frage gehört?
Beim Friseur zwei Straßen weiter, in den Bars des Wiener Nachtlebens, im Restaurant in dem man so guten Zwiebelrostbraten isst. Im Katzen Café Neeko, in der Trafik meiner Eltern, in der kleinen Postfiliale bei uns im Ort.
Das allererste Mal, als sie mich das fragten, war der Umgangston ein anderer, ein Informellerer, ein Liebevollerer.
Gemeint war meine Zukunft.
Zwischen Alphabet und Rechnenlernen haben sie uns das gefragt, uns kleine Kinder, neun Jahre alt vielleicht.
Tierarzt, habe ich immer gesagt, jedes Mal bis ich in der Mittelschule war.
Ja, Mittelschule.
Ich sei ja fähig für ein Gymnasium, vielleicht ein paar Schwierigkeiten in Mathe maximal, aber doch sicher nicht ungeeignet, sagten sie.
Wieso nur Gymnasium, frage ich mich jetzt, nach all den Jahren.
Hätte ich mehr erreicht in einem Gymnasium? Hätte ich klüger werden können? Wäre ich besser aufs Leben vorbereitet worden?
Bis zu den Berufspraktischen Tagen wollte ich Tierärztin werden, doch als die Euphorie an den Gedanken einer eigenen Praxis schwand, musste sich was Neues ausgedacht werden.
Kinder müssen doch Träume haben, es ist immer besser, wenn man mit 13 Jahren schon weiß, was man sein Leben lang arbeiten möchte, jeder das was ihn begeistert, jeder das was ihm Spaß macht.
Tierpflegerin, habe ich immer gesagt, bis ich 15 wurde und der Traum dieses Berufs mit einer unpassenden Lehre platzte, ich an die höhere Fachschule ging und nicht weiterwusste.
Was jetzt, dachte ich mir.
Eine Lehre, ganz sicher, meine Familie hat doch auch keine höheren Schulen besucht, ich muss das doch auch nicht.
Abgesehen davon, dass ich schon an einer höheren Schule war, musste ich doch nicht die Matura machen.
Ein einfacher Abschluss reicht doch bestimmt.
Damals haben sie mich gefragt ob ich nicht sofort in eine „normale“ Schule gehen möchte, Eine in der man gleich die Matura macht, vielleicht hätte ich ein paar Schwierigkeiten in Mathe maximal, ich wäre aber doch sicher nicht ungeeignet.
Und was jetzt? War das alles ein Fehler?
Du wirst es schon irgendwann wissen, haben mich meine Eltern immer beruhigt und ich weiß es auch, jetzt weiß ich es, jetzt weiß ich es ganz genau.
Doch die Angst davor was passiert, wenn diese Gewissheit schwindet bleibt.
Studieren sei anstrengend, nicht jedermanns Sache, klar ich sei ja dafür gemacht, ich habe gute Noten und lerne gerne, ein Studium würde zu mir passen, das sagen alle, meine Freunde, meine Lehrer, das System.
Aber was, wenn nicht?
Wenn ich es nicht schaffe?
Wenn ich meine Bestimmung, meinen Wert nicht finde, meinen Beitrag zur Gesellschaft nicht so leiste wie sie es gerne hätten?
Bin ich dann eine Enttäuschung?
Faul?
Unentschlossen?
Nicht bereit für das wahre Leben?
Würden sie mich fragen, wie ich mir das denn jetzt vorstellen würde?
Mich fragen wie es weitergehen soll, mich fragen was ich will?
Und was wäre meine Antwort?
„Ich weiß es nicht.“
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