Wörterwelt
Es regnet Buchstaben. Sie fallen vom Himmel, welcher aus nichts als ebendiesen besteht. Dies ist die Welt der Wörter. Ein Blatt Papier ohne Form, beschrieben mit Strichen, die eine Geschichte erzählen. Es regnet und regnet und die Wörtermeere füllen sich. Es ist die Sinnflut. Die Buchstaben reihen sich aneinander, bilden einen Zusammenhang. Aus den Wörtern entstehen Sätze und es werden immer mehr. Es gibt eine Sprache, doch niemanden, der sie verstehen kann.
Ein Hauch Poesie wirbelt die Wörter auf. Erst wird er zur Brise, dann zum Sturm. Die Feder malt Bilder so schön, ohne Materie, bloß mit Fantasie.
Und so werden Wörter zu Dingen. ein Stein, ein Haus, ein Baum. Materie, bestehend aus Wörtern. Schwarz auf weiß, weiß auf schwarz. Direkt vor ihr.
Sie sieht sich um, erkundet diese Welt. Hier sind so viele Wörter, doch keines beantwortet ihre Fragen. Wo ist sie? Was ist sie? Ihr Blick wandert an sich herab und trifft auf den Stoff dieser Welt. Wörter. Geschichten.
Sie will ihre eigene schreiben. Aus den Buchstaben, die stetig vom Himmel regnen, greift sie sich S, T, I, F, T und nimmt das Wort in die Hand. Sie führt es durch die Leere und bald gibt es diese nicht mehr. In Buchstaben, so groß wie sie selbst, steht da nun“Farbe“.
Die Wörterwolken regnen weiter vor sich hin und alles verschwimmt. Schwarz und weiß verlaufen zu grau. Ihre Welt erhält Dimensionen.
Sie nimmt den Stift und zieht Striche durch die Wörter in schwarz, weiß, grau. Sie zeichnet Bilder. Nun kann man sie sehen, die Welt, nicht nur lesen. Sie kann sie spüren.
Ihre Gefühle, sie fließen aus ihr heraus. Aus ihrem farblosen Körper strömt rotes Blut in Massen hervor. Sie weint nur kurz. Die Farbe trocknet ihre Tränen. Es ist so bittersüß und wunderschön. Und diese Wellen von Emotionen gehen von ihr aus, legen sich in Regenbogenfarben über die ganze Welt.
Hier enden Wörter. Die Realität fängt an.
Sie hat etwas erbaut. Aus kaltem Buchstabenregen, der hart auf das Blatt fiel, wurde warmer Atem in einer bunten Welt der Emotionen. Die Poesie, die Leben zu erschaffen vermag und doch gelegentlich beim Beschreiben realer Gefühle versagt.
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