Zeit
Die Welt lief mir stets davon –
oder wartete nie auf mich.
Ich war immer zu langsam,
oder zu schnell.
Noch nie war mein Takt der Takt der Erde.
Erklärungen kamen zu spät,
Gespräche zu früh.
Ich stolperte über Silben,
fing Fragmente auf,
warf ganze Fragen ins Leere.
Und während andere lachten,
suchte ich noch nach dem Anfang.
Alles muss schnell gehen.
Nur das Langweilige darf dauern –
stundenlang, tagelang.
Doch die kostbaren Augenblicke entgleiten mir –
wie Rauch, wie flüssiges Glas, wie Licht, das durch die Ritzen fällt –
lautlos, spurlos, als wären sie nie gewesen.
Die Zeit ist gnadenlos.
Sie rennt, ohne Pause, ohne Rücksicht.
Sie stoppt nicht, nicht für mich, nicht für irgendwen.
Wer zurückbleibt, verblasst.
Wer zu schnell läuft, ist entweder Genie –
oder Wahnsinniger.
Wer hat der Zeit erlaubt,
über Liebe, Sehnsucht und Stille zu herrschen?
Wer hat beschlossen,
dass wir alle im gleichen Takt atmen sollen?
Und wenn das Tempo gar nie für mich gemacht war?
Wenn mein Herz in einem anderen Rhythmus schlägt –
langsamer, tiefer, wie ein langer Atemzug im Regen?
Ich bin ein Tropfen im Meer,
mitgerissen, verschluckt,
Teil von allem – und doch allein.
Die Wellen jagen, hetzen, reißen mich fort.
Ich halte inne.
Ich sehne mich nach einem Moment,
in dem das Wasser stillsteht.
Ein leerer Dorfplatz.
Eine unschuldige Liebe.
Ein Blick, der bleibt.
Doch Pausen sind gefährlich.
Wer anhält, fällt zurück.
Und hinter dem Strom wartet nichts
als ein dunkler Raum ohne Fenster, ohne Türen.
Manche tanzen im Takt der Sekunden,
nennen Stillstand Schwäche,
und Geschwindigkeit Freiheit.
Sie leben schnell,
lieben schnell,
vergessen schnell.
Ich habe versucht, mitzuhalten.
Ich habe gehetzt, geschwitzt, geschwiegen.
Ich habe mich selbst verloren
zwischen Kalendern und Sekundenzeigern.
Aber jetzt –
Ich will kein Rennen.
Ich will Raum.
Ich will Tiefe.
Ich will Zeit, die nicht zerrinnt, sondern bleibt.
Und wenn die Welt nicht warten kann –
dann soll sie mich in Flammen sehen.
Nicht verblasst. Nicht verschluckt.
Lodernd. Brennend. Unaufhaltsam.
Ein Feuer, das die Sekunden zerschneidet,
die Luft in Glut verwandelt,
und selbst die Zeit zwingt, innezuhalten.
Ein Funke, der Himmel und Erde verbindet,
ein Schlag, der durch die Schatten fällt,
ein Herz, das laut bleibt, selbst wenn die Welt schweigt.
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