Zeitsprung
Liebes Tagebuch,
heute ist der 24 Juli 2055. Heute vor genau 60 Jahren ist es passiert. Alles habe ich verloren. Meine Freunde, meine Eltern, meine Teenagerjahre. Alles. Sogar mich selbst. Ich kann mich noch ganz genau an diesen Tag erinnern. Vom Schwimmbad spazierte ich nach Hause. Ich nahm die Abkürzung durch den Wald. Gerade stampfte ich über Äste und gatschige Erde, als ich plötzlich etwas sah. War das ein Tornado in Miniaturgröße? Ich war mit meinen neun Jahren superneugierig und lief sofort darauf zu. Es glitzerte, als ob gerade eine Fee ihren Zauberstab schwang. Meine Augen waren riesengroß, „Wow!“, entwich mir aus meinem geöffneten Mund. Vor lauter Bewunderung griff meine Hand wie von selbst nach dem Miniaturwirbelwind. „BOOM!“, hörte ich und ich war im nächsten Moment wie taub. Ganz hell wurde es. So als ob mir gerade die Sonne direkt in die Augen scheinen würde. Ich wurde starr vor lauter Angst. Schreien wollte ich, doch ich konnte nicht. Und nochmal: „BOOM!“ Ich zuckte zusammen und das Licht verschwand. Ich war kurz blind, bis sich meine Augen wieder an normale Lichtverhältnisse gewöhnten. Umrisse vom Wald konnte ich erkennen. Ich kniff meine Augen zusammen und erschrak an dem, was ich sah. Alles war abgebrannt. Nur eine Sache blieb fast unbeschädigt. Plastik. Mein ganzer Körper zitterte, ich rannte schnell nach Hause. Auf dem Weg war alles dürr. Ich sah nicht nur geröstete Bäume und verglühte Tiere, sondern auch tote Menschen. Die Menschen sahen aus, als ob sie entweder verbrannt oder vergiftet worden waren. Meine gesamte Nachbarschaft bestand aus modernsten Häusern. Genauso wie mein Zuhause. „Was ist passiert?“, dachte ich. Ich wollte wissen, was geschehen war, also stolzierte ich in den Wolkenkratzer hinein in eine große Halle. Ein Roboter kam auf mich zu. Ich sah ihn verdutzt an und plötzlich fragte er mich, was ich hier machte. „Ich wollte nach Hause.“, stotterte ich. „Nach Hause?“, fragte die Roboterstimme. „Wir leben in einer Zeit, da gibt es kein Zuhause mehr. Generell sieht man Menschen wie Sie in so einem Alter nie mehr. Alle sterben so früh an den Waldbränden oder spätestens, wenn die Chemie im Essen sie tötet. Nahrung natürlich herzustellen, funktioniert aufgrund der Dürre seit Ewigkeiten nicht mehr.“ „Ich bin doch erst 10.“, sagte ich. Der Roboter lachte komisch: „Alter Herr, Humor haben Sie.“ Ich sah auf den spiegelblanken Boden. Ich dachte, ich sehe nicht richtig, doch mein Spiegelbild zeigte tatsächlich einen alten, verschrumpelten Mann. Mir brummte der Schädel. „Wie kann das sein? Ist diese schreckliche Welt die Zukunft? War dieser Tornado ein Zukunftszauber? Wie werde ich hier überleben können? Ich muss mir nun ein neues Leben aufbauen, ohne Menschen. Abgebrannte, dürre Welten. Was hat die Menschheit mit unserer wunderbaren Natur angerichtet? "
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