Zersplittert
es gab nur einen Weg, als Wir aufwachten.
der Weg ist lang. mal hingehaucht wie ein halbes Wort, mal scharf wie der Zorn des Schlächters. der Weg ist alt, und es gibt nichts als den Weg.
also gehen Wir ihn.
Wir gehen weit. Wir gehen lange.
Wir gehen den Weg. (der Atem ist eine sanfte Welle)
bis der Weg verschlungen ist. von einer Felswand.
in der Felswand, ein Riss.
im Riss, Dunkelheit.
in der Dunkelheit wohnt der Schatten. (Wir können es nicht wissen, denn ich hatte nie den Mut, einzutreten. aber Wir wissen es, und zögern. )
hier können Wir nicht weiter. Wir werden warten. warten, bis der Weg sich öffnet.
einer von Uns hat etwas gesagt. nicht mehr als ein Hauch, leiser als ein Gedanke. aber unerhört.
„Wir waren schon einmal hier“
„nein“, antworten Wir, „das kann nicht sein“. ich schweige. er redet Unsinn.
und doch. und doch.
ich versuche zu denken, aber es ist schwer. ich denke lange.
kann das sein? (der Atem wächst)
der ausgetretene Boden. die dunklen Flecken, dort, wo Wir jede Nacht ruhen. denn in der Nacht, bevor sich der Weg wieder öffnet, schwitzen sich knochenlose Körper aus meinem Kopf, und sie sickern in den Weg. ich weiß es, es sind meine Gedanken, die mir entfliehen. ich kann es nicht wissen, und doch.
er hat Recht.
wenn der Weg sich wiederholt, gibt es nur einen Ausweg. mein Blick wendet sich zum Riss im Fels-
nein, das ist unmöglich. unmöglich.
der Weg ist die einzige Wahl. der Weg.
aber können Wir denn noch?
ich blicke auf, und sehe Uns in die Augen. und sehe alles, was Wir sind. alles, was Wir hätten sein können. ich kenne die Antwort, und ich schäme mich. ich heule und zerkratze meine Hände an den Felsen. dann sehe ich all die alten Wunden unter den neuen. wenn ich nichts tue, werden Wir weiter den Weg gehen. und Wir werden vergessen. und wiederkommen. und ich werde mit der Angst und den Felsen kämpfen, anstatt mich dem Schatten zu stellen.
Wir können nicht mehr.
kann ich?
eine einzige Fußspur führt in den Riss. seicht, und einsam. und ich weiß, was ich tun werde.
gemeinsam betreten Wir die Dunkelheit. denn nur Wir zusammen sind Ich.
und der Schatten wartet auf Mich.
der Schatten ist in Mir, aber Ich bin nicht der Schatten. Er ist alles was Ich nicht sein will, alles was Ich dennoch bin. Ich habe ihn verdrängt, und Ihm ist nichts als die Finsternis geblieben. jetzt wartet Er auf mich.
mit letzter Kraft schreite Ich vor. die Schwingen Seiner Präsenz zerschmettern Meinen Willen. Ich umarme den Schatten.
der Schatten bin Ich, und Ich bin der Schatten, der nun keiner mehr ist.
der Weg, der nie da war, ist verschwunden.
(der Atem wird zum Sturm)
Ich verschmelze mit dem Horizont, und öffne Mich, ein Keim vom Winter vergessen.
Ich bin nun allein. und ich bin wieder Ich.
(der Sturm kehrt zurück
zurück ins Nichts
und das Nichts sagt
„ich kenne dich“
und Ich weiß es
denn das Nichts bin Ich. )
Vier Chirurgen, über etwas gebeugt. Ein Stift steckt in der Schläfe des Körpers.
-Wie lange er gebraucht hat
-Aber jetzt ist er tot
-Es heißt, seine Schriften waren zu unpolitisch… zu zeitlos…
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