Zersplitterte Träume
Ich liege in meinem Bett und male mir die Zukunft in den buntesten Farben aus, die meine
Vorstellung zu bieten hat. Ich zeichne ihre Kanten weich und runde ihre Ecken ab. Ich biege
die sich spießenden Enden zu einem Paradoxon, das ihre Zeit im Kreis laufen lässt. Ich baue
mir eine Welt aus golden schimmerndem Glück und karminroter Geborgenheit. Ich schmücke
ihren Raum mit Lachen, das Wunden heilen soll, die ich tief in meinem Inneren vergraben
habe. Ich träume meine Zukunft zu einem Wunder, das nicht mehr erreichbar ist.
Am nächsten Morgen wache ich auf und die Realität überschwappt mich mit einer Härte, als
hätte sie der aufgeregte Sturm in meinem Inneren zum Brodeln gebracht. Plötzlich fühlt sich
der Boden, auf dem ich meine Schritte geplant habe, nicht mehr sicher an. Ich fürchte, jeden
Moment stürzen zu können. In meinem Kopf dröhnen deine Worte so laut, dass ich nichts
anderes mehr hören kann. Zweifel kriechen an meinen Fingerspitzen empor und ziehen eine
graubraune Spur nach sich, die das Bild unserer Zukunft verschandelt. Mein Herz klopft
drängend gegen meinen Brustkorb. Seit Monaten, fast Jahren warte ich auf diesen Tag. Immer
höher ist meine Vorfreude gestiegen. So hoch, dass ein Fall tödlich wäre.
Im Grunde weiß ich, dass du nichts dafür kannst. Wir wollen es beide so sehr, dass wohl
keine andere Möglichkeit bleibt, als alles zerspringen zu lassen. Ich bin zu hoch gestiegen. Ich
habe das Bild zu bunt gemalt. Das Lachen zerbirst kreischend über meinem Kopf. Seine
Überreste regnen auf uns herab. Angst und Zorn explodieren gleich Schwarzen
Löchern, die allen Glanz in sich saugen, bis nichts mehr übrigbleibt außer ein kleiner, blauer
Punkt.
Tränen steigen in meinen Augen auf. Ich spüre, wie sich meine Rippen zu einem Käfig
zusammenziehen, der keinen Funken Hoffnung entkommen lässt. Habe ich mir zu viel
gewünscht? Waren meine Träume zu groß? Unsere Träume? Meine Tränen zerplatzen auf
dem blauen Punkt, dessen Farbe beginnt, nach außen zu fließen. Du tobst, du schreist, du
wütest in den Splittern unserer Vorstellungen. Doch als du siehst, dass die Farbe fließt, hörst
du auf. Du schaust mich an und es ist, als würde ein grauer Schleier, der über deinem Blick
gelegen ist, gleich einem Vorhang abfallen. Deine Augen beginnen zu strahlen.
„Komm“, sagst du und nimmst mich bei der Hand. Aus deiner Hosentasche ziehst du einen
Pinsel, den du mir konzentriert auf deine Unterlippe beißend entgegendrückst. Gemeinsam
fangen unsere Hände das Tränenblau auf und ziehen es zu einem entschlossenen Strich. Ein
Lächeln breitet sich auf meinen Zügen aus. In diesem Moment begreife ich, dass nichts
verloren ist. Die Zeit der Träume ist vorbei. Wir malen unser Leben, während wir atmen.
Jetzt.
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