Zukunftsferne
Ich stolpere im Hier und Jetzt meinen Weg entlang, das Gesicht meist dem Horizont zugewandt. Dort sehe ich die Zukunft in Form einer Person. Sie bewegt sich mir entgegnen, sie schaukelt in meine Richtung.
Sie kommt mir immer näher, sie drückt ihre Fersen in den Boden und stemmt ihren Körper Schritt nach Schritt in meine Richtung. Aus der Ferne fesselnd sich mich mit ihrem Blick, sie verfolgt mich, sie sitzt mir im Nacken, sie greift nach mir. Sie will mich berühren, doch ergreift sie mich nicht.
Ihre Entfernung zu mir bleibt gleich, sie kommt mir nicht viel näher, völlig unabhängig von unseren Märschen aufeinander zu. In Wahrheit wirkt sie sogar ferner, wenn ich mich schneller bewege. Dies geschieht wie durch Hexerei, ohne Anstrengung, um diese Tatsache zu gewährleisten. Doch der Abstand zur Zukunft ist filigran und der Zauber wird schwächer, wenn ich nachgiebig bin.
Ich gehe also weiter, unbeholfen straucheln meine Beine voran. Nur so bleibt diese kostbare Distanz bewahrt.
Ihre Augen sind weiter sehnsüchtig auf mich fixiert, sie verlangt nach mir, ich weiß, sie will mich übermannen. Ihr Ziel ist es, mich einzuholen, sie möchte mich erfassen.
Manchmal habe ich genügend Kraft, meinem Gegenüber in ihre stechenden Augen zu blicken. Da sammle ich all meine Stärke und bewege mich zielstrebig in ihre Richtung. Es kommt Angst in mir auf, doch weiß ich, das einzige Mittel, um das Ende hinauszuzögern, ist ihr entgegenzutreten.
Manchmal stolpere ich mit gesenktem Kopf meinen Weg entlang. Ich will einen Zusammenstoß unbedingt vermeiden, schwerfällig konzentriere ich mich darauf, meinen Trott fortzuführen.
Ich befinde mich in diesem stetigen Konflikt, ich weiß, sie holt mich nicht ein, solange ich nicht innehalte und am selben Platz verharre.
Für mich ist das nicht zu erklären, aber ich benötigte keine Erläuterung des Umstands. Ich lebe unter dem Damoklesschwert, doch es fällt nicht.
Ich weiß, im entscheidenden Moment kann ich mich nicht gegen sie wehren. Wenn diese Gestalt mich das erste Mal berührt und die Zukunft und ich eins werden, naht mir das Ende. Und doch stelle ich mir Fragen.
Was verlangt sie von mir? Was geschieht, wenn sie mich endlich erfasst?
Wie durch Zauberhand bleibt die Zukunft mir fern. Immer in Blickfeld, manchmal taucht sie unter in Nebelschwaden oder scheint mir fremder und harmloser, ihre Gestalt wirkt kleiner. Dann fokussiere ich mich auf die Sonne am Horizont.
An anderen Tagen irre ich in ihrem Schatten umher. Sie bestimmt mein Dasein vollends.
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