Zwei Worte
„Was willst du?“
Ich klang eisig, ganz und gar unterkühlt. Nicht einmal mit meiner schlimmsten Erzfeindin redete ich in diesem Ton und es kostete mir alle Mühe, meine Stimme nicht einfach brechen zu lassen, doch ich konnte nicht anders.
Die schwarzen Haare fielen meiner Gegenüber über die Schultern – die warmen, braunen Rehaugen starrten mich verwirrt an, als versuchte sie zu verstehen, warum ich sie so hasste.
Jahrelang hatten wir uns ohne Worte verstanden. Ein Blick hatte gereicht, um zu verstehen, was die andere dachte, ein Lächeln hatte das richtige Gefühl ausgesagt, und die Miene der anderen hatte mehr als tausend Worte gesprochen.
Doch jetzt war alles anders.
Etwas war zwischen uns gebrochen, ein Versprechen, dass wir immer füreinander da sein würden, ein Versprechen, dass sie gebrochen hatte. Nicht nur einmal.
Das erste Mal war nicht ihre Schuld gewesen, sie hatte keine andere Wahl gehabt, als zu gehen – es hatte weh getan, doch irgendwie hatte ich es überwinden können, doch nicht das zweite Mal.
Sie war nach Australien gegangen.
Ohne mich.
Es war unser gemeinsamer Traum gewesen, und sie hatte ihn allein verwirklicht, ohne Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen, war sie dorthin verschwunden.
Und jetzt erwartete sie, dass alles wie früher war.
Am liebsten hätte ich auf der Stelle kehrtgemacht, wäre zurück in den Saal gerannt und hätte sie hier zurückgelassen – wie sie es getan hatte, doch ich konnte mich nicht bewegen.
Schweißperlen liefen mir über die Stirn, mein Kopf schmerzte, und meine Finger bohrten sich in die Haut, weil meine Fäuste fest zusammengeballt waren, um jeglichen innerlichen Schmerz mit dem physischen zu übertreffen.
Es funktionierte nicht.
Mit aller Kraft hielt ich die Tränen zurück – ich wollte nicht weinen. Sie hatte es nicht verdient, dass ich ihretwegen weine, nach all dieser Zeit sollte ich darüber hinweg sein, doch egal wie lange wir uns nicht gesehen hatten, der Schmerz war immer noch da, gleich wie sehr ich versucht hatte, sie zu vergessen – es ging einfach nicht, und ich wusste nicht einmal, ob ich sie mehr dafür hasste…
Oder mich selbst.
Sie war in meinem Kopf. In meinem Herz. Unter meiner Haut. Überall, wo sie nicht sein sollte, überall, wo die schönen Dinge meines Lebens sein sollten, war sie und die Angst, dass, sollte sie nicht mehr da sein, nichts als gähnende Leere da sein würde, war zu groß, um sie gehen zu lassen, doch ich wusste, dass es das Richtige wäre, sie gehen zu lassen.
Unsere Leben waren nicht mehr miteinander verbunden, unsere Gedanken verstanden sich nicht mehr und unsere Herzen schlugen nicht mehr im Gleichtakt.
Da gab es nichts mehr, was uns zusammenhielt – außer die Vergangenheit.
Schließlich brachte ich es zustande, zwei kurze Worte zu formen. Zwei Worte, die ich schon so viel früher hätte sagen sollen, bei denen meine Stimme jedoch jedes Mal versagt hatte.
„Geh bitte.“
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