Zwölf Schläge
Zwölf Schläge
Eine entfernte Kirchenglocke hatte gerade zum 12. Mal geschlagen. Das Ende naht. Er spürte es und rannte hinein, in das Schwarze der lauen Sommernacht. Sein Herz schlug wild in seiner Brust, und der Schweiß perlte auf seiner Stirn. Durch die Abwesenheit des Mondes waren die Straßenlaternen die einzige Lichtquelle, doch die Dunkelheit verschluckte bereits nach wenigen Metern sämtliche Lichtstrahlen, und so fühlte es sich an, als würde er im Nichts verschwinden.
Umkehren war dennoch keine Option, denn er spürte es. Es war nah. Sein Ende, nein, viel schlimmer, das Ende. Er hatte es gespürt, seit er aus dem Fenster seines Zimmers geschaut und die Vorahnung ihn ergriffen hatte. Etwas Schreckliches, Unausweichliches, war auf dem Weg zu ihm, und er konnte nicht fliehen.
Er rannte weiter, durch die engen Gassen der schlafenden Stadt, in der die Menschen ahnungslos in ihren Betten lagen. Keiner wusste von dem Unheil, das sich näherte, niemand außer ihm. Sein Atem war schwer, und seine Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment unter ihm nachgeben.
Plötzlich hörte er ein Rascheln hinter sich. Er wirbelte herum, doch es war nichts zu sehen. Nur die Dunkelheit, die sich wie eine undurchdringliche Mauer um ihn legte. Doch er konnte es spüren, etwas lauerte im Schatten, etwas Böses und Unbegreifliches.
Er rannte weiter, verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg, einer Möglichkeit, diesem unerbittlichen Schicksal zu entkommen. Nach minutenlangem Herumirren blieb er stehen und ließ sich von der Dunkelheit einholen, die sich wie ein schwarzer Schleier um ihn legte. Er kauerte sich an eine Steinmauer und betete, dass dieser Alptraum ein Ende habe. Doch auch nach langem Warten geschah nichts. Kein Windzug. Kein Rascheln. Nichts. Nur in der Ferne vernahm er das Läuten von Kirchenglocken.
Ganze zwölf Mal.
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