Dein/Sein/Ihr Wahnsinnvon Zoe Wagner
Dein/Sein/Ihr Wahnsinn
Du hängst fest im tückischen Spinnennetz deiner Gedanken, mitten in der Menschenmenge verweilst du unter Tausenden und bist doch so einsam wie das erschöpfte Tier in der Endlosigkeit der Sahara.
Welche Lappalie du doch bist, durch dich wird hindurch gesehen.
An einer Straßenecke bleibst du stehen, deine Aufmerksamkeit wird erregt durch die drei jungen Kinder, die hier im Schmutz der Straßen in ihrer eigens erschaffenen Welt aufgehen. Fasziniert lauscht du ihrem Spiel, wirst nostalgisch.
„Ihr seid ein extrem misstrauisches Wesen und ich muss
euch als Geschenk ein Eichenblatt bringen, oh ja wie glücklich ich mich doch schätzen kann mit dieser fröhlichen Aufgabe bewandert worden zu sein.“
Die Stimmen sind hell und lebhaft. Unschuldig leuchtende Kinderaugen spielen die Protagonisten eines Theaterstücks, dass für den Rest der hektischen Gasse seitab bleibt, doch du durftest für einen Augenblick Zuschauer sein.
Sie spielen ihr Spiel weiter. Und du erinnerst dich an das Spiel des Grauens und das Grauen des nackten Mensch Sein.
Du kannst es nicht verhindern, das Karussell des Wahnsinns fängt erneut an sich in deinem Kopf zu drehen, spielt längst vergessene Filmrollen erneut ab und vermischt sich mit der Gegenwart zu einem einzigen, unerkenntlichen Wahnsinn.
Deinem Wahnsinn, der auch seiner war und ihrer ist.
Er sollte einfach gehen, bitte einfach gehen und die zerbrochenen Stücke deiner selbst das sein lassen was sie noch sein können.
Ein Scherbenmeer aus Erinnerungen.
Das Herz kann nicht lieben, es erwärmt nur den Hass.
Der Mund kann nicht lachen, er erlöst nur das Weinen und verzehrt es bis zur Unkenntlichkeit.
Die Seele wird niemals frei sein, alles was sie vermag ist die Barrieren teilweise zu sprengen.
Die Ohren können die zarten Töne nicht hören, sie lösen nur die Kakophonie des Lebens auf und komponieren sie neu.
Freude, gibt es sie tatsächlich, oder ist sie nur die Maske die sich das Leid aufsetzt um unentdeckt zu bleiben.
Frieden, hat er jemals existiert, oder ist er doch nur ein kläglicher Versuch uns Selbst erträglicher zu machen.
Wenn du dich umdrehst, kannst du nicht zurück, von den Seiten wirst du bedrängt und wenn du den Blick deines Augensterns nach vorne richtest gehst du doch bitte lieber in eine andere Richtung. Doch keine bleibt dir. All dies erinnert dich an seinen Wahnsinn, der auch ihrer wurde bis er deiner war.
Tropfen der Rache rinnen seinen höhnisch verzogenen Mund hinab, perlen ab auf dem Panzer aus Abwehr, plätschern darüber hinaus und sickern in die Erde auf der er steht und die nicht ihr sein soll.
Sie geht. Sie geht um das Spiel von vorne zu spielen.
Hinter grauen Augen tobt sein innerer Kampf laut. Geh bitte, sagen sie. Doch das Laubgelb ihrer Stimme erquickt seinen Geist, ihre lyrischen Tiraden gleichen einem Gutenachtlied, nur er hört die Schmach darin.
Wer wenn nicht sie soll die Auslese seiner Untaten vornehmen, soll ihn putzen und schrubben und ihn dann bitten zu gehen.
Wer wenn nicht sie soll versuchen sein Glas doch noch einmal zu füllen, bis es übergeht, nicht mehr trocken vor sich hin vegetiert. Doch sie weiß, es ist längst in tausend Splitter zersprungen, die feinen Risse fristen das passive Dasein eines vorübergegangenen Gefechts.
Sie zitiert seinen Verfall mit der desolaten Hoffnungslosigkeit, die ihr Antlitz zeichnet.
Mit dem Pinsel in der Hand steht sie abwartend, bereit um sein Porträt zu beenden.
Doch die Farben sind längst verblasst, die Konturen zur Gänze verwischt und in einem einzigen Grau wiedergefunden. Und so sehr sie es auch versuchen mag, das Blatt wird abgegriffen und schmutzig bleiben, voller Kleckse und Striche, keine Linie im Einklang mit einer anderen.
Schwarz wie seine Seele das Wasser im Malbecher.
Ungelebte Verheißungen lauern wartend vor der Pforte, durchliefen eine Metamorphose. Mussten von glückseliger Hoffnung zu bitteren Stacheln mutieren, ja bittersüß graben sie sich in seine Seele. Mit Melancholie betrachtet er sie dann, wimpernschlagkurz sind sie zu erkennen.
Das was war und nun nicht mehr sein will weicht aus seiner irdischen Hülle, hinterlässt Fahlheit.
Wie vergänglich er doch ist, wie präsent seine Schwärze noch immer sein kann.
In glücklichen Tagen lebte er als Freigeist, nun ist er Gefangener seiner selbst.
Kein Odem konnte ihn vor seinen Seelenschnitten bewahren, er hüllt sich in Schweigen um nicht blümerant zu Boden zu stürzen beim leisesten Wort der Klage.
Akribisch wird sie von ihm gemustert bei dem hilflosen Versuch seine Risse zu flicken.
Diesmal wird es keinen Phönix aus der Asche geben, und auch keinen Aar der dem Sturm ins Auge sieht.
So viel Ungesagtes würgt jetzt in ihrem Hals, brennt ihr auf der Zunge, doch nichts könnte den Wahnsinn beenden. Darum streicht sie ihm über die kalte Wange und geht.
Saumselig tragen ihre Schritte sie weg von dem der war und nicht mehr ist, und wenn sie nur weit genug geht, entkommt sie ihm vielleicht,
deinem, seinem, ihrem Wahnsinn.
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