der elefant im raumvon Sarah Lange
ich werfe bowlingkugeln gegen die wand
immer wieder, immer mehr, merke, dass es wieder nicht reicht,
dass das interesse der anderen
verwirrung und distanzbedarf weicht
wenn ich treffe, die mauer zerschlage, das weiß ich genau,
dann würden sie endlich aus mir schlau
ich auch aus ihnen
aber das bleibt mir verwehrt, die wand bleibt stehen, meine bowlingkugeln zerschellen wie weihnachtsbaumschmuck der beim dekorieren aus den händen gleitet und die winzigen, scharfkantigen splitter im ganzen wohnzimmer verbreitet
niemand spricht es laut aus, aber allen ist klar: die chance ist vorbei,
hab den augenblick verpasst mich zu assimilieren,
ein weiterer vergeblicher versuch zu sozialisieren
die wand ist im weg
so ist es schon immer gewesen und wird für immer so sein,
sage ich und meine stimme bricht und auf mamas gesicht sehe ich dass es
auch sie
zerbricht
sie wolle das nicht, erklärt sie sie mir, das sei nicht das richtige leben für mich
wir weinen gemeinsam in uns hinein, fühlen uns klein
wollen dabei stark füreinander sein
wir sehen des anderen tränen nicht
das verbieten wir uns.
du bist ein besonderes kind
haben sie gesagt
hochbegabt
mit einzigartigen fähigkeiten gerüstet
speziell veranlagt
meine kreativität sei unverwüstet
man müsse mich fordern, fördern und, vor allem, fühlen lehren
dann könnte ich mit fünf die frage nach der entstehung des universums abschließend klären
oder dreizehn sprachen sprechen oder die menschheit zum besseren bekehren
die welt retten
was sie eigentlich meinten, ist, dass meine synapsen mir den zugang zur normalität verwehren
dass anders sein meine eigenschaft ist
dass diese eigenschaft mich seltsam macht
dass seltsame in räumen nicht in der mitte stehen dürfen
dass man aus der mitte zum rand komplimentiert wird und
dass randsteher nicht erwünscht sind,
auch wenn das niemals jemand sagt.
mama versteht es nicht
was sagen die denn, fragt sie, beleidigen die dich? rufen die etwas, verjagen die dich?
es gibt keine worte für den gang nach canossa
augenpaare die deinen rücken erdolchen
lächelnde lippen die im nächsten moment im flüsterton ihre wahre gestalt zum vorschein bringen
wie soll ich beschreiben, dass da kein platz für mich ist obwohl niemand dort steht
dass mein anteil an luft zum atmen fehlt
er wird mir nicht zugestanden
wie soll ich beschreiben, dass es die wand ist die mir den zugang verschließt
dass sie meine verzweiflung beinahe genießt
sie ist im weg
es gibt keine worte für das nichtdazugehören
keine begriffe die den geruch beschreiben, den ein impliziertes „verpiss dich“ auf meinen hosenbeinen hinterlässt und keine termini für die wellen in der atmosphäre die mir klarmachen dass ich nicht dorthingehöre wo ich vielleicht gerne wäre
manchmal stelle ich mir vor dass dort bunte blumen wachsen
auf der seite hinter der mauer in meinem kopf
bunte blumen die von brummenden bienen umkreiselt werden und kleine hilfreiche männchen die mir den weg weisen und erklären, wie ich die worte drehen muss und wann sich ein lachen gehört und ab wann jemanden die eigene anwesenheit stört,
angemessenheit in auftreten und erscheinen und ich glaube daran dass dort meine fähigkeit liegt zu interagieren trotz des anderseins, das muss so sein
muss so sein
rational betrachtet hat der soziale sektor einfach nicht genug raum in meinem kopf gepachtet und um das bisschen an platz, was er hat, eine mauer errichtet
die meine hoffnung auf anschluss vernichtet
meine bowlingkugeln sind machtlos und ohne wirkung
schau sie dir an, flüstern die, was will die denn hier
social clues nennen die das, was ich nicht kapiere,
deretwegen ich immer wieder den anschein des angepassten verliere
dabei weiß ich ich genau wie jemand schaut wenn er will dass man geht während ihm die eigene höflichkeit im wege steht
mir ist klar wieso die die arme verschränken und sich auf der suche nach neuen gesprächspartnern die hälse verrenken während sie sich gezwungen fühlen mir ihre aufmerksamkeit zu schenken
ich kenne das räuspern und eindeutige blicke wenn ich am tisch sitze und begeistert nicke
und ich wünschte mir würden meine sinne gehorchen
könnte mein interesse bekunden
witze machen
mich annähern und mit ihnen lachen
einmal nicht besonders sein
nein
sie werden lernen, dich ob deiner qualitäten zu schätzen, mein schatz, sagt mama und malt ein kleines herz
das hat sie schon immer gemacht, mir ihre zuneigung so zum ausdruck gebracht
neben dem herz steht ein name, den kenne ich nicht
am nächsten abend bekommt der name ein gesicht,
sollte mich freuen und für sie hoffen und der fremde mann gibt sich höflich und offen und redet mit mir und ich weiß, mama hat vorher etwas zu ihm gesagt
zum beispiel „sie ist ein bisschen speziell“
ich weiß dass sie es nicht weiß aber ich merke sofort als die wellen sich ändern, die oktaven der töne der gespräche sich verschieben und ihre intentionen offen liegen
sie schaut mich an und muss nichts sagen, muss das schuldbewusstsein ertragen
ich weiß was sie will in dem moment in dem ich ihr in die augen blicke
sie sagt es nicht laut, wie könnte sie auch
geh, bitte
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