Der Schuss, der Freundschaft brachtevon Mihajlo Milovanovic
Die Sonne kroch langsam über die Dächer der Stadt, als Veljko die Augen öffnete. Die ersten warmen Strahlen kitzelten sein Gesicht, und draußen zwitscherten Vögel, als würden sie den Tag begrüßen. Es roch nach frischem Brot, das seine Mutter gerade in der Küche aufgeschnitten hatte. Veljko setzte sich verschlafen auf, strich sich durch die Haare und grinste.
Heute würde ein guter Tag werden – das spürte er.
Beim Frühstück aß er hastig sein Brot mit Butter und trank ein Glas Milch in einem Zug aus. Schon während er kaute, blickte er auf den Fußball, der neben seiner Schultasche lehnte. Der Ball war leicht zerkratzt und ein bisschen abgenutzt, aber für Veljko war er ein Schatz. In jeder Pause spielte er damit – allein oder mit Freunden, Hauptsache, er durfte laufen, schießen, jubeln.
Den ganzen Vormittag konnte er sich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Die Minuten krochen dahin, als wollten sie ihn ärgern. Draußen schien die Sonne, und irgendwo in seinem Kopf hörte er schon das dumpfe Prellen des Balls auf dem Asphalt.
Endlich – die Glocke!
Veljko sprang auf, schnappte sich seinen Ball und rannte hinaus. Die Sonne brannte heiß auf den Schulhof, die Luft war voller Stimmen und Lachen. Überall liefen Kinder, spielten, riefen durcheinander. Veljko atmete tief ein, spürte den Wind auf der Haut – und dann legte er den Ball auf den Boden.
Ein paar Freunde stellten sich in einer Reihe auf, andere sahen neugierig zu. Veljko trat ein paar Schritte zurück, konzentrierte sich und holte Schwung. In seinem Kopf hörte er nur sein eigenes Herz schlagen. Dann schoss er.
Der Ball sauste davon – schnell, kraftvoll, präzise. Ein kleiner Blitz über den Hof. Für einen Augenblick fühlte sich alles perfekt an: die Kraft in seinen Beinen, das Geräusch des Aufpralls, die Geschwindigkeit. Doch plötzlich – ein Schrei.
Veljko zuckte zusammen. Der Ball war nicht ins Tor, sondern mitten in die Gruppe am Rand des Hofs geflogen – direkt gegen Lanas Arm. Sie saß auf einer Bank, erschrocken, die Augen weit aufgerissen.
Veljko erstarrte. Für einen Moment war alles still. Nur die Sonne brannte weiter vom Himmel. Dann rannte er los.
„Oh nein! Tut mir leid! Ich wollte das nicht!“, stammelte er.
Lana hielt sich den Arm, doch sie lächelte schon wieder. „Schon gut“, sagte sie leise. „Nur ein bisschen überrascht.“
Veljko atmete erleichtert auf. Sie gingen zusammen, um den Ball zu holen, der im Gebüsch lag. „Du hast aber einen ordentlichen Schuss!“, meinte sie lachend.
„Ja… vielleicht ein bisschen zu ordentlich“, grinste Veljko verlegen.
Die beiden begannen, gemeinsam zu spielen – vorsichtiger diesmal, aber mit viel mehr Spaß. Lana konnte überraschend gut passen, und bald lachten sie beide so laut, dass selbst die Lehrer vom Fenster aus schmunzeln mussten.
Als die Pause vorbei war, setzte sich Veljko auf eine Bank. Sein Herz klopfte noch immer, aber diesmal nicht vor Aufregung, sondern vor Freude. Die Sonne wärmte sein Gesicht, und er fühlte sich ruhig, fast stolz. Der schnelle Ball hatte zuerst für einen Schreck gesorgt – aber auch für etwas Schönes.
Am Nachmittag traf sich Veljko mit seinen Freunden im Park. Sie sammelten bunte Blätter, warfen sie in die Luft und rannten durch den Wind. Veljko erzählte ihnen von Lana und dem Ball, und alle lachten. Er spürte, wie die Sonne langsam unterging und der Himmel sich golden färbte.
Zu Hause beim Abendessen erzählte er seinen Eltern alles – von dem Schuss, dem Schreck und dem Lächeln danach. Seine Mutter schüttelte den Kopf und lächelte. „Siehst du, Veljko“, sagte sie, „manchmal passieren die besten Dinge, wenn zuerst etwas schiefgeht.“
Später im Bett dachte er noch einmal an den Moment, als der Ball über den Hof geflogen war, an Lanas erstauntes Gesicht und ihr Lächeln danach. Draußen raschelten die Blätter im Wind, und in seinem Kopf hörte er noch das Echo seines Schusses.
Veljko schloss die Augen und musste lächeln.
Manchmal, dachte er, ist das Tempo des Lebens genauso unberechenbar wie ein Fußball – mal zu schnell, mal zu langsam. Aber wenn man im richtigen Moment innehält, kann selbst aus einem schnellen Schuss etwas Gutes entstehen.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
Ihre Spende ist steuerlich absetzbar!
Spendenbegünstigung gemäß § 4a Abs. 4 EStG 1988; Registrierungsnummer KK32646
Weitere Antworten rund um die Spendenabsetzbarkeit für Privatpersonen und Unternehmen
