Die Bankvon Katharina Huber
Die Sterne sind nicht echt am Jakominiplatz.
Der Himmel ist tintenschwarz vor lauter Nacht und sturmdunkel vor lauter Wolken, aber du siehst die Sterne trotzdem. Es ist ein Lichtermeer aus Lampen, um nächtlichen Spaziergängern und freiheitsbetrunkenen Jugendlichen den Weg zu weisen, denn es ist Samstag.
Und dir.
Du sitzt auf deiner Bank und zitterst in dem zu großen Wintermantel, Frost im Gesicht, der Bart ungeschnitten, der Dreck unter den Fingernägeln noch immer da.
Lachende Stimmen durchbrechen die nächtliche Stille, als eine Gruppe junger Menschen an dir vorbeigeht. Ihre Blicke streifen dich kurz, ein Mädchen hält kurz Inne, sieht, wie du zitterst und fragt sich, wie viel davon die Kälte ist. Du starrst ins Leere und sie widmet sich zögerlich wieder ihrer Realität aus Wochenende und Schulaufgaben, die Zukunft irgendwo ein stilles Licht in der Ferne und nicht gefangen in der Nachtbeleuchtung eines zentralen Umsteigeplatzes.
Ein Schluck aus der Flasche, damit die Kälte in deinem Bauch von der Wärme im Magen vertrieben wird. Du hast schon viele Winternächte hier überstanden und du wirst es wieder tun, auch wenn dein Körper sich am Morgen zu taub anfühlen wird, um die Kälte noch zu spüren.
Die Luft ist kalt, grau und klar, aber deine Hände sind warm. Der Mann an der Straßenecke hat dir Maroni geschenkt. Du führst sie langsam an den Mund, kaust. Die Hitze verbrennt dir die Zunge.
Busse, Baustellengedröhne und vorbeihastende Passanten haben die Stille längst vertrieben, halb Graz geht an dir vorbei. Manche Blicke streifen dich kurz, einige oberflächlich, andere verstohlen. Ein kleines Mädchen bleibt stehen, den Daumen im Mund, die schwarzen Locken unter einer flauschigen Rentiermütze versteckt. Es starrt dich aus großen, neugierigen Augen an, findet dich faszinierend, denn du wirkst anders als die meisten anderen Menschen. Irgendwie tust du ihm leid, denn du zitterst unkontrolliert. Dann nimmt seine Mutter es bei der kleinen Hand, ermahnt es, die Finger nach dem Busfahren nicht in den Mund zu stecken und zieht es weiter.
Du sitzt auf deiner Bank, starrst ins Leere und schälst die Maroni, müde von der Realität.
Der Nachthimmel ist samtblau von dem klaren Wetter, aber du siehst nur die Jakominiplatzsterne. Wie ein von Menschen aufgehängtes, nahes Firmament, um den wenigen nächtlichen Spaziergängern den Weg zu weisen, denn es ist Dienstag und meistens bist nur du da.
Schritte auf Asphalt durchbrechen die nächtliche Stille, als ein junger Mann an dir vorbeispaziert. Sein Blick streift dich nicht, denn er hört Musik aus seinen Kopfhörern und ist versunken in seiner eigenen kleinen Realität.
Ein weiterer Schluck aus der Flasche, damit die Kälte in deinen Gliedern von der Wärme im Magen vertrieben wird, aber heute hast du sie schon leer getrunken. Du bemerkst es kaum.
Es ist ein klarer Wintermorgen, der Himmel ist so blau wie die Kälte und die Lungen der Dame schmerzen schon nach wenigen Schritten im Freien von der frostkalten Luft, ihre Wangen sind rot angelaufen. Sie eilt in Richtung ihrer Straßenbahn, denn sie ist schon spät dran für ihren Zahnarzttermin. Ihr Blick streift deine Bank, huscht weiter, stockt, huscht zurück und bleibt an dir hängen.
Dieses Mal zitterst du nicht, deine Lippen sind blau angelaufen. Die Flasche liegt zerbrochen neben deiner Bank.
Der Himmel ist tintenschwarz vor lauter Nacht und sturmdunkel vor lauter Wolken, man sieht die Sterne nicht. Aber die Lampen am Jakominiplatz brennen, um nächtlichen Spaziergängern und freiheitsbetrunkenen Jugendlichen den Weg zu weisen, denn es ist Samstag.
Lachende Stimmen durchbrechen die nächtliche Stille, als eine Gruppe junger Menschen an deiner Bank vorbeigeht. Ihre Blicke streifen sie kurz, sie halten Inne, aber da ist nur Leere und sie widmen sich wieder ihrer Realität aus Wochenende und Schulaufgaben, die Zukunft irgendwo ein stilles Licht in der Ferne und nicht gefangen in der Nachtbeleuchtung eines zentralen Umsteigeplatzes.
Denn die Sterne sind nicht echt am Jakominiplatz.
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