Gefallene Sternevon Arda Aksoy
Wir alle ähneln dem dunklen Himmel; je länger wir ihn anschauen, desto mehr Sterne tauchen auf. Die Sterne als das Böse oder das Gute? Meinen Himmel prägten die bösen Sterne - das Boshafte, das in uns allen tief verankert ist, jedoch bei manchen tiefer als bei anderen. Das Einzige, was uns Menschen, unterscheidet, ist die Kunst des Versteckens der Boshaftigkeit.
Ich lebte ein temporeiches Leben, das vom schnellen und dreckigen Geld finanziert wurde. Am Anfang tat ich es für die bunten Scheine, dann für die unantastbare Macht und letztendlich, um die Welt zu erobern. Ich hatte mich schon damit abgefunden, entweder Gefängnis oder Millionen. Doch das ewige Streben nach mehr zog mich in die Strömung eines Teufelskreises, in dem ich, ohne es zu bemerken, ertrank. Mir kam es so vor, als ob die Sanduhr meines Lebens durch die Risse im Glas unkontrollierbar Körner verlor. Mein Leben verging wie im Zeitraffer, Klamotten von Designern, deren Namen ich nicht aussprechen konnte, Freundlichkeiten von Menschen, die mich verachteten, die Sättigung meiner Gelüste, alles lief perfekt, bis der Traum platzte. Als die Tür aufknallte und die engen Handschellen sich schmerzhaft in mein Fleisch bohrten, überrumpelte mich ein Gefühl der Reue, ein Drang, die Welt anzuzünden und mit ihr zu verbrennen.
Die restliche Zeit meiner Existenz soll ich hier verbringen? An einem Ort, an dem keine Blumen aufblühen, die Vögel nicht zwitschern, die Sterne nicht leuchten und die Tage nicht vergehen. Ist es leicht, immer die gleiche Wand zu sehen und mit Kreide jeden Tag zu zählen? Der kalte Luftzug, der unter der Stahltür durchzieht, die verrosteten Gitter oder das steinharte Bett, alles ist hier verflucht, oder bin ich derjenige, der seine Umgebung mit einem Fluch belegt?
Der Tag, an dem ich einen Fuß auf diesen kalten Beton setzte, änderte alles. Die Zeit verlangsamte sich und die Sühne meiner Sünden fing an. Die Seelen, die ich mit meinen eigenen Händen vergiftet hatte, rächen sich. In meinen Träumen, in der Dunkelheit des Schattens oder beim Schließen meiner Augen, sie sind überall, die Kinder, die von ihren Vätern geschlagen wurden, die Frauen, die für den Rausch der Drogen ihren Körper verkauften oder die Jugendlichen, deren Augenringe immer dunkler wurden. Sie verfolgen mich vom Mondschein bis zum Sonnenaufgang, rauben mir meinen Verstand oder haben ihn mir schon gestohlen. Ich schreie um Hilfe durch die Gänge, doch bin ich bereit für das Echo?
Vielleicht wird meine Zeit nach den Jahren voller Qual in eine neue Sanduhr gefüllt, in der die Sandkörner nicht nur fließen, um den Fall schnell hinter sich zu haben, sondern einen echten Sinn erfüllen. Die Sterne, die mich verbrannten, als ich nach ihnen griff, könnten sie nicht jene werden, die mir eine angenehme Wärme verleihen und meinen dunklen Himmel mit Gutem erleuchten?
Doch diese Wörter sind Lügen, die ich mir selbst aufgetischt habe, seit Jahren versuche ich sie hinunterzuschlucken und zu verdauen, obwohl sie mir jedes Mal wieder hochkommen. Denn heute, nein, genau jetzt habe ich mich entschieden, meine mit Sand gefüllte Uhr gegen die Wand zu werfen, sie anzuspucken und auf die Reste zu treten. Die Stimmen unter dem Bett, im Schrank und sogar hinter der abgesperrten Tür, flüstern mir, während ich diese Wörter in die Wand kratze, ins Ohr. Die angespitzte Zahnbürste oder doch die zusammengebundene Bettwäsche? Es spielt keine Rolle. Der Teufelskreis wird enden, die Zeit stillstehen und die Stimmen verstummen. Mit meinem Akt der Erlösung ziehe ich den mir am nächsten Stern, die Sonne, zur Rechenschaft, weil sie mich mit ihrem grellen Licht aus meinen schönsten Träumen weckte.
Du, der Wärter, der meine vom Leid befreite Leiche findet, du, der Mann, der meine letzte Spur auf der Erde verwischt, oder du, mein Nachfolger, der demselben Schicksal zum Opfer gefallen ist: Wenn das Wasser steigt, essen die Fische die Ameisen, doch wenn es trocknet, essen die Ameisen die Fische. Keiner sollte seiner Überlegenheit vertrauen, denn wer wen frisst, liegt in der Hand des Wassers. Merk dir, wenn du immer auf den gleichen Stern schaust, brauchst du keinen Kompass. Such dir einen guten aus…
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