01: 02 Uhrvon Lisa-Marie Wallner
Flackerndes Kerzenlicht, das fast erlischt.
Lauer Nachtwind, der sanft mein Haar von den Schultern streift.
Ich habe kurz gedacht, das seist du.
Geflüsterte Vertraulichkeiten, so leise, dass ich sie kaum verstehe.
Der Tee wird langsam kalt.
Schwer sichtbare Sterne über unseren Köpfen und laute Autos zu unseren Füßen.
Der Blick auf die Straße macht mich nervös.
„Vorher waren mehr Sterne zu sehen“, meinst du.
Ich sage nichts.
Du schweigst ebenfalls.
Ich mustere die Teetasse in meinen Händen. Hagebuttenhibiskustee. Er schimmert blutrot im Licht der Straßenlaternen.
Mein Handydisplay flammt auf. 01: 02 Uhr. Auf meinem Sperrbildschirm ist ein Bild von dir. Weil ich dich öfter als zwei Stunden in der Nacht sehen will. Weil du mir wichtig bist.
Du lächelst, als du das siehst. Trittst näher, nimmst meine Hand und riechst nach Tee.
Nach Hagebuttenhibiskustee.
Er riecht besser, als er schmeckt.
Krankenwagensirenen hinter uns.
Normalerweise unterhalten wir uns mehr. Aber heute reden wir nicht. Wir spüren.
Die Hand des jeweils anderen, die Polyesterjacken, die aneinander reiben, die ferne Nähe zwischen uns, die alle Worte stiehlt.
Ich frage mich, warum dir zwei, drei Worten so schwer fallen.
Ich will das nicht mehr. Oder einfach nur Geh´ bitte.
Warum ich schweige, obwohl ich dir so viel zu sagen habe.
Warum wir keine Sterne mehr sehen, wobei wir darin doch so gut waren.
Meine Nasenspitze friert im Wind. Es ist spät. Du willst weg, aber ich kann dich noch nicht gehen lassen.
Denn treffen können wir uns nur nachts um 01: 02 Uhr, wenn du nicht endlich Geh bitte zu dem mir so fremden Mädchen auf deinem Sperrbildschirm sagst.
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