Porzellanpuppevon Asal Rahmany
Rouge auf meine Wangen. Rosarot gefärbte Lippen und leicht goldene-silber Lidschatten. Ist das, das Gesicht einer Porzellanpuppe oder doch meines?
Ich sehe aus, als gehöre ich nicht ganz hier her. Solch derart auffallende Farben, das ist keine Gewöhnlichkeit, es ist eine Leichtsinnigkeit. Meine Mutter sollte mich schimpfend hinterherjagen, mein Vater sollte mich bei diesem Anblick in mein Zimmer einsperren. Sie sollten mich dafür bestrafen, mich anschreien, mir sagen, was für eine Schande ich doch bin. Doch sie tun beide nichts dergleichen. Nein, dieses Mal meinen sie, ist eine Ausnahmesituation. Und ich, ich bin viel zu beschäftigt damit zu bemerken, welch schöne, volle Lippen, ich hab, um zu hinterfragen.
Mit einer Zärtlichkeit, einer Spur Zuneigung, den sie immer hinter ihre Ernsthaftigkeit versteckt, lackiert Mutter meine Nägel. Sie schmiert meine Hände mit einer Creme ein und betont, es sei wichtig für eine Frau, stets sanfte, warme Hände und gepflegte Finger zu haben. , , Achte darauf bei Hausarbeiten immer auf sie zu achten‘‘. Sie kämmt meine Haare und verharrt in ihre Stille, während ich meinen Gedanken davon flüchte. Sie werden mich doch nur daran erinnern, dass die Porzellanpuppen mit lockigen Haaren viel entzückender aussehen als die mit blattglatten Strähnen wie meine.
Nun betrachte ich mich im Spiegel, ein Kleid von solcher Länge, von solch heller, weißstrahlender Farbe habe ich noch nie getragen. Ich sehe deutlich älter als meine 15 Jahre aus, doch meine Augen, unter all der Schminke und dem Schmuck, unter meinem geübten Lächeln, sind immer noch die Augen eines Mädchens, das die Gesetzte des Lebens nicht wahrhaben will.
Jung, schön, gesund und vor allem aber Jungfrau. Ich rieche nach Frühling, frische Früchte und Sonnenlicht. Das Traurige an Porzellanpuppen ist, dass sie hinter Glasvitrinen aufgestellt und verkauft werden. Wie ich.
Gegenüber steht ein fremder Mann, 20 Jahre älter, ein Tuch gebunden um seinen Kopf. Angezogen in Cremefarbenem Peran-Tumban, schaut er mich wartend an. Eine bestimmte Furcht strahlt seine Haltung aus, obwohl er leicht grinst. Ob seine Hände richtig auf Porzellanpuppen aufpassen können? Sie wirken einschüchternd groß. Ich halte an, ich möchte nicht näher. Was wird aus mir? Was wird aus all der Hoffnung, das mich jede Nacht träumen ließ? Ich will niemandem gehören. Kann mich jemand hier rausholen? Ich will, wohin, wo ich ungestört weinen kann.
Bevor ich mich umdrehen kann, flüstert sie mir zu: , , Nein, es geht nicht anders. Geh, bitte. ‘‘ Es ist keine Anweisung. Sie fleht mich an und ich höre alles was Mutter nicht sagen kann. Geh, bitte, wir haben keine Wahl. Geht, bitte, mache es nicht schwerer. Geh, bitte, dein Vater und ich können nichts tun. Geht, bitte, sei stark.
Manchmal denke ich, Mädchen wie ich, sind wie kleine Baby Meeresschildkröten. Verlassen von jeglichem Schutz, auf uns gestellt, schon von Anfang an. Bis wir das Meer erreichen, krabbeln und kämpfen wir, jeden Moment könnten wir auf diesem Weg aufgeben, sterben. Vielleicht habe ich nun das Ziel erreicht. Vielleicht bin aber auch noch immer am Finden, am Kämpfen. Doch egal, wo ich bin, weder mein Anfang noch mein Endpunkt versprechen mir Sicherheit. Ob am freien Land oder verloren in der tiefe des Meeres.
Verheiratet. Nun habe ich einen Ehemann. Hausfrau in jungen Jahren. Verschlossen von der Welt.
Wer hätte gedacht, dass ich der Leblosigkeit einer Porzellanpuppe auch ähneln mag?
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