weichen und wachsenvon Robin Pacejka
Wenn dir die Bäume ausweichen und eine Lichtung bilden, dann merkst du, dass sie dich in ihren Kreis aufnehmen wollen.
Du bist in die Natur geflohen, um allem anderen zu entkommen. So vieles zwang dich deine Heimat, deine Wurzeln tief im Boden, hinter dir zu lassen. In der Stadt haben die Vögel zu laut gesungen, und gemeinsam mit dem Chor der Autos haben sie dich vertrieben.
Du dachtest vielleicht wäre ein Park genug. Am Anfang war er das auch. Bis die Kinder gekommen sind. In Zweierreihe und mit einem klaren Anführer. Sie haben geschrien als sie eine Ente gesehen haben. Das Geräusch hat deinen Kopf fast explodieren lassen und du bist weiter gegangen. Weiter weg von den Türmen und Festungen aus Beton und Glas.
Es dauerte einige Tage, bis der Horizont frei von jeder Menschlichkeit war, und du endlich die Bäume sehen konntest.
Sie haben dich aufgenommen mit all ihren Farben. Orange Blätter fallen von ihren Ästen auf deine Haare und weiter auf den Boden, damit irgendwann wieder neue wachsen können. Es hängen immer wieder Stöcke in deinem Gesicht und du wischt sie weg, gemeinsam mit den Spinnenweben, die durch die Luft schweben.
An ihrer Seite eine Schicht Nebel, die in deine Lungen eindringt. Sie verschafft dir einen klaren Kopf und du kannst endlich wieder Denken. Und als du so vor dich hin philosophierst und grübelst bemerkst du es.
Die Bäume haben dir nie misstraut. Sie haben dich mit ihrem Rauschen im Wind getröstet und haben ihr Flüstern gestoppt, als du dich genähert hast. So gehst du und hast deine Ruhe bis sie dir eine Lichtung machen.
Schritt für Schritt weichen sie von dir weg, damit du genug Platz hast. Damit du dich wohlfühlst. Denn euch beiden ist klar, dass du das Herz des Waldes erreicht hast, an dem du dich auf das Gras legen kannst und es dir endlich möglich ist deine Augen zu schließen.
Die Stille ist so ungewohnt, sie ist dir fast schon zu viel. Die Lieder, die die Vögel singen, sind dir unbekannt, aber sie machen dir keine Angst mehr. Verschiedenste Insekten hüpfen und kriechen um dich herum, und du lässt sie. Grillen zirpen und bilden einen neuen Chor.
Etwas krabbelt deinen Finger hoch, aber du spürst das es kein Tier ist. Hättest du die Energie dazu, würdest du die Augen öffnen und sehen, dass es Moos ist, das dir den Arm entlang wächst.
Jemand hat dich hier liegen sehen, im Winter mitten im Wald, und hat dich zugedeckt. Damit du nicht mehr frieren musst.
Es wächst nicht so weit, dass es dich am Boden halten könnte, würdest du aufstehen. Eine neue Schicht wird von Mutter Natur erstellt, um dich zu beschützen.
In dieser Gegend wachsen keine Schwammerl. Als du deine Augen einen Spalt weit öffnest, um zu sehen, warum dein Herz so schwer geworden ist, siehst du einen Fliegenpilz auf deiner Brust. Es ist nicht das Einzige was auf deiner Decke wächst.
Edelweiß
Es wird immer schwerer deine Augen offen zu halten
Blauer Eisenhut
Die Blüten duften alle anders
Maiglöckchen
Manche nach verderben, manche nach Tee, manche nach beidem
Waldmeister
Das Moos hat die Nässe des Bodens mit sich mitgezogen
Sauerklee
Dir ist nicht kalt unter deiner Decke
Taubnesseln
Warum musstest du diesen Ort ganz alleine finden
Vergiss-Mein-Nicht
Hier am Waldboden liegst du nun von der Natur zugedeckt und beruhigt von den verschiedensten Düften und Geräuschen und Farben und Gefühlen
Du liegst hier und kurz vor dem Einschlafen denkst du nach
Über alles und jeden über nichts und niemanden
Kamille
Es ist die letzte Pflanze die du erkennen kannst und die wichtigste zugleich
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